Der Prozess gegen Agron T.** (43) hat am Montag begonnen. Der Schweizer mit montenegrinischen Wurzeln soll in der Nacht auf den 5. Mai 2019 in Killwangen AG den Maler Sadik R.* (†57) vor seinem Wohnhaus niedergestochen haben. Die Staatsanwaltschaft fordert 17 Jahre Freiheitsstrafe wegen Mordes für den mutmasslichen Täter.
Am Dienstag spricht Agron T. vor dem zweiten Prozesstag mit Blick. Er beteuert seine Unschuld, nimmt auch kurz die Maske ab, um sein Gesicht zu zeigen – er hat nichts zu verstecken! «Ich war die ganze Zeit in meinem Schrebergarten!» Mit dieser Tat habe er nichts zu tun. Laut Anklageschrift soll Agron T. in der Tatnacht dem späteren Opfer Sadik R. nach einem montenegrinischen Volksfest in Schlieren ZH mit seinem silbernen Audi A4 gefolgt sein. In Killwangen soll es schliesslich zum Streit mit tödlichem Ausgang gekommen sein.
Mobiltelefon unweit von Fest eingeloggt
Am Dienstag hält zuerst der Staatsanwalt sein Plädoyer. Er spricht von einem aufwendigen Indizienprozess. Der Audi A4, der dem späteren Opfer vom Fest in Schlieren bis nach Killwangen folgte und von Überwachungskameras gefilmt wurde, sei «unzweifelhaft das Fahrzeug der Täterschaft». Später habe der Beschuldigte, der so einen Audi fuhr, den Wagen nach einer Befragung gegen ein anderes Fahrzeug eingetauscht.
Zudem sei das Mobiltelefon des Beschuldigten gemäss Antennensuchlauf in der Tatnacht unweit des Festes in Schlieren eingeloggt gewesen. Zwar sei danach von seinem Handy aus beim Tatort in Killwangen «keine Netzwerkbeanspruchung» festgestellt worden. Jedoch sei es vorstellbar, dass er das Mobiltelefon zuvor ausgeschaltet habe.
Hinzu komme, dass Sadik R. bekannt gewesen sei, wer ihn umgebracht hatte. Denn: Als er sich nach der Tat verletzt in seine Wohnung begeben habe, habe ihn seine Frau noch gefragt, was passiert sei. «Wir sind überfallen worden», habe das Opfer geantwortet. Auf die Frage, von wem, habe er «den Kopf zur Seite gedreht und geschwiegen», so der Staatsanwalt.
Warum löschte er seine Whatsapp-Chats?
Ein weiteres Indiz: Der Beschuldigte habe am 4. Juli 2019 sämtliche Whatsapp-Nachrichten auf seinem Mobiltelefon gelöscht. Dies, nachdem er am Tag zuvor von der Polizei telefonisch zu einem Einvernahmetermin aufgeboten wurde.
Zudem habe der Beschuldigte, so der Staatsanwalt, etliche Handys und Sim-Karten in einem Abfallsack in seinem Schrebergartenhäuschen entsorgt. Hinzu komme, dass er «mit allen Mitteln» versuche, die von ihm mit dem Opfer geführten Chat-Verläufe mit Fake-Frauennamen jemand anderem in die Schuhe zu schieben – «um den Tatverdacht von sich abzulenken». Dabei sei nach den vorliegenden «Indizienkette» klar: «Es kann nur er und keine unbekannte Drittperson der Täter gewesen sein!» Es sei davon auszugehen, dass es dem Beschuldigten einzig «um die Elimination eines ihm lästig empfundenen Menschen» gegangen sei.
Opferfamilie hat bis heute mit Konsequenzen zu kämpfen
«Wer viel redet, glaubt am Ende, was er sagt», zitiert der Anwalt der Opferfamilie zu Beginn seines Plädoyers den französischen Schriftsteller Honoré de Balzac. Er meint damit den Angeklagten, der vor Gericht «langatmig» sowie «ausschweifend» geredet habe, dabei aber «nicht wahrer» wurde.
Die Angehörigen des Getöteten hätten «bis heute mit den Konsequenzen zu kämpfen». Der Anwalt spricht eindrücklich vom Leben von Sadik R. und von dessen Beziehungen zu seinen Liebsten. Diese können im Gerichtssaal die Tränen nicht zurückhalten. Agron T. schaut regungslos zu ihnen. Der Anwalt der Opferfamilie verlangt für die Angehörigen von Sadik K. Genugtuungssummen im fünfstelligen Bereich.
Freispruch für Angeklagten gefordert
Die Verteidigung des Beschuldigten fordert einen vollumfänglichen Freispruch und zerpflückt in ihrem Plädoyer die Indizien der Staatsanwaltschaft. Diese würden nicht beweisen, dass sich Agron T. strafbar gemacht habe. Sein Handy etwa sei beim Tatort nicht in eine Antenne eingeloggt gewesen – was aber nicht bedeute, dass er dort gewesen sei und es ausgeschaltet habe. Und: Dass sein Handy in Schlieren eingeloggt gewesen sei, bedeute nicht eine spätere Tatbegehung in Killwangen.
Bezüglich dem Audi A4, den Agron T. in der Tatnacht von Schlieren bis nach Killwangen gefahren sein soll, seien auf den Überwachungsbildern weder die Marke, das Kennzeichen, die Felgen noch die Insassen erkennbar, so die Verteidigung. Es sei lediglich ein Kombi zu sehen. Es könne sein, dass die Täterschaft «ein komplett anderes Fahrzeug» gefahren sei. Dass Agron T. den Audi laut Staatsanwaltschaft nur fünf Tage nach seiner Befragung verkauft habe, sei Zufall.
In keiner Art und Weise nachgewiesen
Auch beim Vorwurf, dass Agron T. mit Frauen-Namen mit dem späteren Opfer gechattet haben soll, winkt die Verteidigung ab: «Mit diesem Indiz kann in keiner Art und Weise die Begehung eines Mordes nachgewiesen werden.» Schliesslich schlüpft die Verteidigung noch in die Rolle des Staatsanwalts. Dies soll zeigen, dass er falsch liege und Agron T. gar nicht schuldig sein könne.
Denn: Wäre er der Täter, so die Verteidigung, hätte er bezüglich der mutmasslichen Indizien «völlig anders gehandelt» und diese somit im Voraus verhindert. Beim Schlusswort steht Agron T. auf, schaut zur Opferfamilie und sagt: «Ich möchte der Familie R. mein Beileid aussprechen und ihnen sagen, dass ich ihren Ehemann und Vater nicht umgebracht, ihn geliebt und gerne mit ihm Zeit verbracht habe.»
Das Urteil fällt am Mittwoch.
* Name bekannt
** Name geändert