Das Aargauer Obergericht hat einen 52-jährigen Mann vom Vorwurf der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind freigesprochen. Es sah in den Aussagen des 12-jährigen Mädchens zahlreiche Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten. Die Vorinstanz hatte den Kosovaren zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.
Trotz des Freispruchs erhält der Mann, der die Vorwürfe in sämtlichen Befragungen bestritt, keine Genugtuung, wie aus dem schriftlichen Urteil des Obergerichts hervorgeht.
Er sei nicht in Haft gewesen, hielt das Gericht in seinen Erwägungen fest. Der Beschuldigte habe auch nicht rechtsgenügend dargelegt, inwiefern das Strafverfahren bei ihm zu familiären, beruflichen oder andersweitigen Konsequenzen geführt habe. Eine besonders schwere Verletzung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten seien nicht ersichtlich.
Von Vorinstanz schuldig gesprochen
Beim Fall war offenbar von Beginn an der Wurm drin. Die Oberstaatsanwaltschaft erhob Ende 2022 Anklage. Das Bezirksgericht Bremgarten wies die Anklage wegen fehlender Vertretung der Oberstaatsanwaltschaft zurück. Diese wies das Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm zu, die dann im April 2023 Anklage erhob.
Das Bezirksgericht Bremgarten sprach den Mann im Juni 2023 schuldig und verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Er sollte ein Jahr ins Gefängnis. Es verwies den beschuldigten Kosovaren zudem für acht Jahre des Landes. Der Privatklägerin sollte er eine Genugtuung von 12'000 Franken bezahlen.
Gegen dieses Urteil reichte der Mann beim Obergericht Berufung ein und beantragte die vollumfängliche Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.
Mädchen wurde befragt
Das Obergericht befragte das Mädchen an der Verhandlung. Das Bezirksgericht hatte darauf verzichtet und sich auf zwei Einvernahmen gestützt. Im 16-seitigen Urteil zählt das Obergericht zahlreiche Zweifel an den Aussagen des Mädchens auf.
Die Widersprüche und Unstimmigkeiten der Aussagen liessen sich für das Obergericht nicht plausibel erklären oder nachvollziehbar auflösen, hiess es im Urteil. Auch fehlten detaillierte Aussagen zu den vorgeworfenen Handlungen.
Keine objektiven Beweise
Es sei zweifelhaft, ob sich die dem Beschuldigten gemäss Anklage vorgeworfenen mehrfachen sexuellen Handlungen wirklich zugetragen hätten. Zudem dränge sich die Möglichkeit «der Fremd- und/oder Autosuggestion» auf. Objektive Beweise lägen nicht vor.
Bei den Zweifeln handle es sich «nicht bloss um abstrakte und theoretische Bedenken», sondern um «nicht zu unterdrückende Zweifel.» Daher werde der Beschuldigte in Nachachtung des Grundsatzes «in dubio pro reo» («im Zweifel für den Angeklagten») von den Vorwürfen freigesprochen.
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