Es war ein emotionaler Moment, der sich vor dem Mittag am Bezirksgericht Lenzburg ereignete. Zum Schluss des ersten Verhandlungshalbtages liest der Opferanwalt ein eindrückliches Schlusswort der gemeinsamen Kinder an ihre ermordete Mutter vor. Der Beschuldigte Ardit S. (49) senkte dabei seinen Kopf in die Arme und weinte hemmungslos.
Der Opferanwalt hat Blick das Schlusswort im Wortlaut übergeben:
«Was die Tat mit uns gemacht hat, ist unbeschreiblich, aber was unserer Mutter angetan wurde, wird keine Strafe der Welt wiedergutmachen. Mama, wir stehen heute zu dritt hier und versuchen dir eine Stimme zu geben, weil dieser Mörder über dein Leben bestimmt hat. Der Verlust sitzt tief, denn für uns warst du alles.
Wir vermissen es, nach Hause zu kommen und mit einer Umarmung oder einem Kuss von dir begrüsst zu werden. Deinen Duft, der uns Geborgenheit schenkte, werden wir wohl niemals mehr riechen. Unsere Spitznamen, mit denen du uns zum Esstisch riefst, haben wir schon lange nicht mehr gehört. Die Feiertage und Geburtstage sind nicht mehr, was sie mal waren, denn an jedem Tag, an dem wir Freude verspüren sollten, überwiegt die Trauer und der Schmerz.
Wie sehr du als Bezugsperson fehlst, können Worte nicht beschreiben. Was würden wir nur geben, um nur noch einmal mit dir über unsere Probleme zu reden und deinen Rat zu erhalten, dir über ein erreichtes Ziel zu berichten, damit du dich mit uns freuen kannst oder einfach mit dir herumzualbern, denn das hast du am liebsten gemacht.
«Er hat auch uns manipuliert»
Egal, wie sehr du unter deinem Partner gelitten hast oder wie schlecht es dir durch ihn ging, wolltest du uns deinen Schmerz nie zeigen, denn du wolltest deine Kinder nicht belasten. Du wolltest die Familie zusammenhalten und hast geschwiegen. Du hast an das Gute im Menschen geglaubt und gehofft, dass dein Partner sich ändert. Jedoch musstest du immer wieder mit Enttäuschungen klarkommen. Dir wurde vieles grundlos von ihm angehängt. Du wurdest gestalkt, beschimpft und eingeschüchtert. Deine Gutmütigkeit und Loyalität für diesen Menschen hat dazu geführt, dass du dein Leben verloren hast. Auch uns hat er immer wieder manipuliert, denn für ihn war jeder im Unrecht, der nicht seiner Meinung war.
Sein Wort sollte Macht haben, ansonsten verdient man es durch ihn bestraft zu werden. So schlimm wie sich das anhört; ein Stück weit hat diese Tat uns von ihm befreit. Doch selbst aus dem Gefängnis lässt er uns keine Ruhe, indem er Familienangehörige aus dem Ausland zu uns nach Hause schickt, um uns zu beeinflussen. Die angeblich gekränkte Ehre eines Mannes, der nichts sieht ausser seiner eigenen Wahrheit, hat ein weiteres Leben einer Frau gekostet. In unseren Augen bist du kein Vater, sondern ein kaltblütiger Mörder. Egal, wie dich ein Psychologe oder das Gericht einstuft, wir waren dabei und haben dich angefleht, ihr nichts anzutun. Deine Antwort hinter der verschlossenen Tür war: «Ich hab es gleich, und Mama gibt es nicht mehr».
«Du hast uns gelehrt, das Leben zu lieben»
Uns kannst du nichts vormachen, denn wir wissen, was dein Plan war. Mama, trotz all deiner Schwierigkeiten und den Lasten, die du dein ganzes Leben lang mit diesem Mörder tragen musstest, hast du uns nur die schönen Dinge im Leben gezeigt. Du hast uns gelernt, das Leben zu lieben und zu schätzen, das Schöne in schweren Zeiten zu sehen und immer weiter zu kämpfen. Du warst und bist mit deiner reinen Seele ein Beispiel für meine Geschwister, mich und alle, die um uns sind. Auch wenn du nicht mehr da bist, halten wir dich fest in unserem Herzen und dort wirst du für immer bleiben, um uns durch das Leben zu führen, bis wir uns wiedersehen.»
Besime S.* (†44) wurde in der Nacht auf Freitag, den 12. März 2021 getötet. Der mutmassliche Täter: Ihr Ehemann Ardit S.* (49) wird am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Lenzburg der Prozess gemacht.
Die Staatsanwaltschaft fordert wegen Mordes, mehrfacher Drohung, mehrfacher Beschimpfung, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und mehrfacher und wiederholter Tätlichkeiten eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren sowie eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Franken (unbedingt) und eine Busse von 700 Franken. Weiter wird eine ambulante therapeutische Massnahme bei gleichzeitigem Strafvollzug gefordert.