Mann verbrannte sich beide Hände – «Der Schmerz war schrecklich»
Giovanni Eusebio (77) wohnt im vierten Stock des betroffenen Gebäudes und verbrannte sich beim Versuch, die Wohnung durch das Treppenhaus zu verlassen, beide Hände. Eusebio und seine Frau wollten flüchten, als sie die Sirenen hörten. Doch wegen des dicken Rauchs konnten sie im Treppenhaus nichts sehen – Eusebio hielt sich folglich am Geländer fest. Dieses war durch die extreme Hitze des Feuers jedoch so heiss geworden, dass sich der 77-Jährige beide Hände verbrannte.
Noch in der Kleidung des Spitals, in das er eingewiesen wurde, zeigt er seine dick einbandagierten Hände. Dank erster Hilfe durch kaltes Wasser und Antibiotika tut es nun nur noch «ein bisschen weh». Schlimmer traf es seine Frau – laut Eusebio ist sie noch immer im Spital. Seine Tochter unterstütze ihn nun.
Darum war die Evakuierung so schwierig
Am Morgen teilte die Kapo Aargau mit, dass sich die Evakuierung der Anwohner schwierig gestalte. Andreas Fischer (44), Vize-Kommandant der Feuerwehr Spreitenbach-Killwangen, erklärt, was genau die Situation verkompliziert hat.
«Als wir ankamen, trafen wir einen Brand im Erdgeschoss an. Der Rauch und somit auch die gesamte Hitze zogen nach oben in alle anderen Wohnungen – das hat uns sehr herausgefordert.» Aufgrund des Fluchtinstinktes wollten viele durch das verqualmte Treppenhaus flüchten. Fischer betont jedoch, dass man, sollte das Treppenhaus voller Rauch sein, am besten in der Wohnung bleibt und sich auf dem Balkon oder an den Fenstern bemerkbar macht.
«Bei einem Brand im sechsten oder siebten Stock ist es einfacher, die Einwohner zu evakuieren», erklärt Fischer weiter. Aufgrund der guten Zusammenarbeit mit den Betroffenen verlief die Evakuierung in Spreitenbach aber erfolgreich. «Sie haben sehr ruhig reagiert und haben sich sehr vorbildlich verhalten.»
Das Feuer konnte laut dem Vize-Feuerwehrkommandant zwar schnell gelöscht werden, die Sorge um die Verletzten begann jedoch erst. Dank den Rettungsdiensten konnten alle Verletzten versorgt werden. «Wir sind alle sehr glimpflich davon bekommen.»
Fluchttüre musste eingeschlagen werden
Marco Lindo (48), dessen Mutter (83) im Block wohnt, schildert die dramatischen Minuten der Nacht. Die Fluchttüre musste eingeschlagen werden.
Seine Mutter sei mit einer Nachbarin zum Estrich hochgegangen und habe dort vor der verschlossenen Tür gestanden.
Die Fluchttüre sei abgeschlossen gewesen, berichtet der Spreitenbacher. Mit dem Wohnungstürschlüssel liess sie sich nicht öffnen. Sechs Personen seien letztlich nach oben geflüchtet. Sie konnten laut Lindo nicht nach unten laufen, weil ihre Sicht durch den Rauch zu stark eingeschränkt gewesen sei.
Fluchttüre mit Hammer eingeschlagen
Lindo fordert jetzt eine Brandschutztüre, «die sich von ihnen öffnen lässt». Die Verwaltung habe im Brandfall empfohlen, dass die Bewohner die Treppe verwenden.
«Wenn es im Eingangsbereich brennt, können wir nicht die Treppen hinablaufen. Wir können auch den Lift nicht benutzen. Leute, die in Panik sind, gehen nach oben.» Zum Glück habe ein Mann das Glas der Fluchttüre mit einem Hammer kaputt gemacht, sodass alle wieder atmen konnten. Er lobt auch für die «sehr gut organisierten» Retter.
Notfall-Schlüsselkasten
Blick hat die Verwaltung Wincasa AG mit den Vorwürfen konfrontiert. Mediensprecherin Daniela Enke erklärte darauf: «Die genannte Türe führt direkt aufs Dach der Liegenschaften und muss daher aus Sicherheitsgründen immer abgeschlossen bleiben.» Für Notfälle gebe es einen Schlüsselkasten, den man einschlagen müsse. «Dieses Schutzkonzept entspricht den Vorgaben der Behörden und wurde durch Feuerwehr und Feuerpolizei abgenommen», so Enke. Der vorgeschriebene Schlüsselkasten wie auch der Schlüssel seien in der Liegenschaft vorhanden.
Den Vorfall vom Montagmorgen nehme Wincasa sehr ernst. «Wir werden das Schutzkonzept mit den entsprechenden Fachpersonen überprüfen und falls nötig Anpassungen vornehmen», so die Mediensprecherin.
So sieht es im Inneren des Wohnblocks aus
Die Feuerschäden im Inneren des Wohnblocks sind verheerend. Wie hoch der Sachschaden insgesamt ist, ist noch unklar.
«Nachbar schlug die Tür mit einem Hammer ein»
Anwohnerin Vita Marchese-Lindo (83) wurde vom Alarm aus dem Schlaf gerissen: «Plötzlich hörte ich die Sirene. Ich öffnete die Tür, eine Rauchwolke kam rein. Ich hatte viel Angst», erzählt sie Blick in ihrer Wohnung im achten Stock.
Sie habe sich schnell etwas über den Pyjama gezogen und die Wohnung so schnell wie möglich verlassen. «Man sah nichts im Treppenhaus. Wir gingen hoch. Da sah man noch etwas. Zum Glück schlug der Nachbar mit dem Hammer die Übergangstür zum anderen Hausteil ein. So konnten wir atmen», schildert die Seniorin die Situation.
Wegen ihrer Knieprothesen ist Marchese-Lindo auf den Lift angewiesen. Da dieser aktuell nicht funktioniert, wird sie vermutlich vorerst bei ihrer Tochter unterkommen.
Anwohner kletterte mit Kleinkind und schwangerer Frau den Balkon runter
Musa Azizi (40) wohnt mit seiner schwangeren Frau und einer Tochter (2) im ersten Stock des Hauses. «Wir hörten in der Nacht den Alarm. Meine Frau war besorgt. Ich machte die Wohnungstür auf – es kam sofort viel Rauch rein», erzählt er.
«Ich kletterte den Balkon runter und holte in meinem Geschäftsauto eine Leiter», ergänzt er. Diese hat der Dachdecker stets dabei.
«Alles riecht nach Rauch»
Nachdem sie in Windeseile die Leiter heruntergestiegen waren, habe sie ein Arzt untersucht und geschaut, ob die Atmung beeinträchtigt war. «Aber alles war in Ordnung.»
Anschliessend verbrachte die Familie ein paar Stunden in einer Schule. Vor einigen Minuten konnten sie zurück in die Wohnung. «Ich weiss nicht, wie es jetzt mit der Wohnung weitergeht. Alles riecht nach Rauch – zum Beispiel Kleider und Sofa», so der Aargauer.
Polizei vor Ort: Schwer verletzte Person ins Spital geflogen
Am Montagmorgen brannte es in einem Wohnhaus in der Bahnhofstrasse in Spreitenbach AG. 14 Personen wurden verletzt, eine davon schwer. Wie Mediensprecher Pascal Wenzel Blick vor Ort erzählt, ging eine automatische Brandwarnanlage los. Die Feuerwehr sei aufgeboten und eine starke Rauchentwicklung festgestellt worden. «Wir konnten 31 Personen unverletzt evakuieren», sagt Wenzel. Die schwer verletzte Person sei mit einem Helikopter ins Spital geflogen worden.
Mittlerweile konnten die Einwohner wieder zurück ins Haus. Das Feuer war im Eingangsbereich ausgebrochen. Die Brandursache ist weiterhin unklar. Die Kantonspolizei Aargau ermittelt in alle Richtungen. Der Sachschaden ist immens.
Kurz vor 4 Uhr ging der Alarm an kantonale Rettungskräfte im Aargau raus. An der Bahnhofstrasse in Spreitenbach AG war ein Mehrfamilienhaus in Brand geraten.
Der Alarm meldete einen MANV-Einsatz, die Abkürzung für «Massenanfall von Verletzten». Laut TCS wurde die Bahnhofstrasse gesperrt.
«Eine grössere Evakuierung der Bewohner ist im Gange», bestätigte Corina Winkler von der Kantonspolizei Aargau gegenüber Blick auf Anfrage. Kantonsweit seien Rettungskräfte aufgeboten worden.
«Sehr schwierige Evakuierung»
Nach 6 Uhr bestätigte Winkler 14 Verletzte, mit einer schwerverletzten Person. Zunächst war von 19 Verletzten die Rede gewesen. Mit Frischluft hätten sich fünf Personen bereits erholt, sagte eine Sprecherin der Kantonspolizei Aargau der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Bei Rauchvergiftungen könne es sein, dass Frischluft bereits helfe, sagte die Polizeisprecherin.
Die Evakuierung gestalte sich aufgrund der starken Rauchentwicklung «sehr schwierig». Der Schwerverletzte sei mit dem Helikopter evakuiert worden. Wie die Kantonspolizei auf X mitteilte, sind mehrere hundert Einsatzkräfte vor Ort.
Der Brand, der im Erdgeschoss ausbrach, sei nicht problematisch gewesen und konnte rasch gelöscht werden. Doch «starker Rauch zieht durch alle Wohnungen», so Winkler. Das Treppenhaus musste zunächst «rauchfrei» gemacht werden, auch zum Schutz der Personen, die evakuiert wurden. Die Brandursache ist noch unklar.