Hätte sie ihren Hund nicht, würde sie sich am Abend nicht mehr raustrauen, erzählt Anwohnerin Sandra A.* (58). Im Liebrüti-Quartier in Kaiseraugst AG geht die Angst um.
Denn am Freitagabend wurde ein Mieter (57) beim Gassigehen mit seinem Hund vor seinem Hauseingang brutal verprügelt. Die Attacke war so heftig, dass das Opfer direkt mit der Ambulanz ins Spital gebracht werden musste. Laut Kantonspolizei Aargau wurde dem Mann beim Verlassen des Hochhauses von mehreren Jugendlichen der Weg versperrt. Es kam zum Streit. Der Mann stiess einen der Jugendlichen zur Seite, dann schlugen die Täter ihm mit der Faust mehrfach ins Gesicht – bis die Knochen splitterten.
Jugendliche versperren mit Trottis den Weg
Der Vorfall lässt im Liebrüti-Quartier keinen kalt. «Das macht mir auf jeden Fall Angst. Es ist schlimm, was dem Mann passiert ist», sagt Sandra A. Hätte sie einen kleineren Hund oder einen mit weniger Beschützerinstinkt, würde sie nur noch im Dorf spazieren gehen – und nicht mehr im Liebrüti-Quartier.
Dass hier am Abend Jugendliche herumhängen, sei nichts Ungewöhnliches. Viele von ihnen würden mit ihren Trottis und ähnlichen Geräten in der Passage, die die verschiedenen Hauseingänge verbindet, den Weg versperren. Das stört natürlich. Dennoch findet es Sandra A. auch nicht richtig, dass das spätere Opfer einen Jugendlichen gestossen hat. «Es gibt ja immer einen Weg, um zu reden. Ich hatte aus diesem Grund auch noch nie Probleme mit den Jungen hier im Quartier.» Allerdings seien einzelne unter ihnen schon schlecht erzogene Burschen.
«Sollte Judo lernen»
Ein Anwohner (80) erzählt: «Ich habe jetzt einfach ein mulmiges Gefühl. Vielleicht sollte ich noch Judo lernen!» Er sehe dieselben vier, fünf Jugendlichen seit einigen Wochen immer wieder in der Nähe des Tatorts.
Auch der Nachbarin Rosa K.** (78), die ausgerechnet in dem Haus wohnt, wo das Blut auch am Sonntag noch vor der Eingangstüre zu sehen ist, ist aufgewühlt. «Ich habe am Samstag das viele Blut gesehen. Ich dachte, da hatte jemand Nasenbluten oder so. Als ich dann erfahren habe, dass es hier zu dieser Attacke kam, hat mich das tief getroffen. Ich bin zutiefst schockiert – und habe jetzt selber Angst.» Seit dem Vorfall fürchte sie sich, weil sie alleinstehend sei und oft abends allein nach Hause komme. «Da macht man sich schon Gedanken. Zudem gehe ich am Stock – es bräuchte wenig, und ich würde am Boden liegen.»
«Irgendwo müssen die Jugendlichen ja sein»
Rosa K. lebt seit über 20 Jahren im Liebrüti. «Ich würde es nie als Problemquartier bezeichnen. Ich fühlte mich hier immer sehr sicher. In all den Jahren ist noch nie etwas dergleichen passiert.»
Die Jugendlichen, die am Wochenende oft herumhängen und Musik aus Böxli dröhnen lassen, höre sie abends oft in ihrer Wohnung. «Aber die stören mich nicht. Hier hat es halt einen Park und viele überdeckte Ecken, es lädt ein, sich hier zu besammeln. Irgendwo müssen die Jugendlichen ja sein.» K. hätte einfach nie gedacht, dass es deswegen zu einer Auseinandersetzung kommen könnte. «Ich habe diese Jugendlichen nie als gewalttätig eingeschätzt.»
* Name der Redaktion bekannt
** Name geändert
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