Nach Explosion in Nussbaumen: Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz
Die Bundesanwaltschaft hat das Verfahren zur Explosion in einer Tiefgarage in Nussbaumen AG von der Staatsanwaltschaft Baden AG übernommen. Bei der Explosion von potentem Feuerwerk waren dort am 13. Juni zwei Männer gestorben.
Als Grund gibt die Bundesanwaltschaft ihre Zuständigkeit für Sprengstoffdelikte an, wie es in einem Bericht auf dem Portal der «Aargauer Zeitung» heisst. In einer Stellungnahme, die auch der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegt, schreibt die Bundesanwaltschaft: «Die vorläufigen Auswertungen deuten auf ein gänzlich unbeabsichtigtes Fehlverhalten mit den gefährlichen Stoffen hin».
Laut Stellungnahme läuft ein Strafverfahren gegen eine Person wegen der mehrfachen Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz, der mehrfachen fahrlässigen Tötung sowie der Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase ohne verbrecherische Absicht.
Bei der Explosion starben ein 24-jähriger Schweizer und ein 43-jähriger Italiener. Elf Personen erlitten leichte Verletzungen und es entstand grosser Sachschaden.
Bilanz nach verheerender Explosion: 12 Gebäude betroffen und Schaden in Millionenhöhe
Bei der Detonation in Nussbaumen AG am Donnerstagabend ist nach ersten Schätzungen der kantonalen Gebäudeversicherung ein Schaden in einstelliger Millionenhöhe entstanden. Zwölf Gebäude wurden demnach beschädigt.
Genauere Angaben zur Schadenhöhe wollte die Medienstelle der Aargauischen Gebäudenversicherung (AGV) am Mittwoch auf Nachfrage nicht machen. Mitarbeiter der Gebäudeversicherung seien weiterhin vor Ort und würden die Schäden dokumentieren, hiess es in einer Medienmitteilung.
Liegenschaftsbesitzerin äussert sich erstmals nach Explosion
Nach der Katastrophe von Nussbaumen mit zwei Toten nimmt die Liegenschaftsbesitzerin des betroffenen Gebäudes gegenüber der «Aargauer Zeitung (AZ)» erstmals Stellung zur Explosion. «Wir sind zutiefst schockiert und betroffen darüber, was sich vergangene Woche in Nussbaumen ereignet hat», teilt eine AXA-Sprecherin gegenüber der «AZ» mit. Das Gebäude ist im Besitz der Anlagestiftung mit Sitz in Winterthur. Oberste Priorität habe das Wohlergehen der Mieterinnen und Mieter, sagt die Sprecherin weiter. In Absprache mit der Gemeinde wurden zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für die am Donnerstag evakuierten Personen gesucht.
In der Liegenschaft Schulstrasse 7 und 9, die vorläufig unbewohnbar ist, hat am Montag derweil die Brandreinigung begonnen. Zum Zeitpunkt des Unglücks waren alle Wohnungen vermietet. An der Liegenschaft finden nun Begutachtungen durch Experten statt. Je nachdem, was die Abklärungen ergeben, würden Massnahmen am Gebäude vorgenommen. Ein Abbruch der Liegenschaft sei nicht vorgesehen.
«So etwas hätte niemand gedacht»
Vor dem Unfallort in Nussbaumen erinnern Kerzen und Blumen an die Tragödie, die hier letzten Donnerstag zwei Männer (†24 und †43) das Leben kostete. «We love you always» steht auf einer Karte, die ebenfalls hier abgelegt wurde.
Um die Mittagszeit kommt ein Mann, zündet eine Kerze an. Als er seine Sonnenbrille auszieht und mit Blick spricht, kullern ihm Tränen über die Wangen. Er ist ein Freund eines der Opfer. «Wir wussten, dass er viel Freude an Feuerwerk hatte. Aber so etwas hätte niemand gedacht», sagt er. Vieles sei noch unklar, er hat sichtlich Mühe, die ihm gebotene Szenerie zu verarbeiten. «Es ist einfach unfassbar», fasst er die Situation zusammen.
So zerstört ist das UG eines angrenzenden Wohnblocks
Ein Leser-Video aus Nussbaumen AG zeigt, wie es im Untergeschoss eines Wohnblocks, welcher sich in der Nähe der Tiefgarage befindet, aussieht.
Staatsanwaltschaft bestätigt: Feuerwerk in Nussbaumen AG in geschlossenem Raum explodiert
Die Explosionen von Nussbaumen im Aargau sind nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft von einem abgeschlossenen Raum im Geschoss der Tiefgarage ausgegangen. Hinweise auf Sprengstoff gibt es nach wie vor keine, wie die Staatsanwaltschaft Aargau am Montag mitteilte.
Beim Unglück wurden am Donnerstagabend in Nussbaumen ein Italiener (43) und ein Schweizer (24) getötet. «Die Lage ist komplex. Abklärungen der Kriminaltechnik laufen auf Hochtouren», sagte Adrian Schuler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Aargau am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Darum ermittelt die Bundesanwaltschaft nicht
Explodiert sei sehr wahrscheinlich Pyrotechnik in einer Dimension, wie sie in der Schweiz nicht zugelassen sei. Hinweise auf militärischen Sprengstoff oder ähnliches gebe es nach wie vor nicht, sagte Schuler. Entsprechend liege das Verfahren weiterhin bei der Staatsanwaltschaft Aargau und nicht bei der Bundesanwaltschaft.
Schuler bestätigte jedoch eine Aussage, die der Einsatzleiter der Feuerwehr in einem Interview mit dem Regionalsender TeleM1 gemacht hatte, wonach die Explosion in einem geschlossenen Raum stattgefunden haben müsse.
Die Aargauische Gebäudeversicherung (AGV) teilte auf Anfrage mit, dass zwei Mitarbeitende für die Schadenabschätzung vor Ort seien, um den betroffenen Gebäudeeigentümern zur Seite zu stehen und eine reibungslose Schadenabwicklung zu gewährleisten. Genauere Schätzungen zur Schadenhöhe lägen noch nicht vor.
Autos aus Tiefgarage werden abtransportiert.
Aktuell werden die Autos aus der durch die Detonation vom Donnerstag beschädigten Tiefgarage abtransportiert.
Kapo Aargau patrouilliert rund um das Gebäude
Nachdem ein Unbekannter versucht hatte, sich Zutritt zur Tiefgarage zu verschaffen, patrouilliert nun auch die Kantonspolizei Aargau rund um das Gebäude und kontrolliert die abgesperrten Ein- und Ausgänge. Viele Schaulustige stehen nach wie vor rund um den Unfallort.
Bild zeigt Wucht der Explosion
Wie heftig die Explosion war, zeigt diese Aufnahme von Oben besonders eindrücklich. Die Mauern des Hobbyraums und die Decke der Tiefgarage mussten nach der Detonation abgetragen werden – wegen Einsturzgefahr.
«Es klang nach einem Attentat»
Anwohner Avni A.* (38) lebt im Block direkt über dem Hobbyraum, in dem es am Donnerstag zur Explosion kam. Mit einem der beiden Männer, die an der Explosion beteiligt gewesen sein sollen, hatte er vor Kurzem sogar Kontakt. Wie er die Explosion erlebte, mit seiner Familie aus dem Haus flüchtete und wann er wieder in seine Wohnung darf, berichtet er im Video.
* Name bekannt
Ein heftiger Knall, eine spürbare Druckwelle, die gar Fenster zum Bersten brachte und meterhohe Flammen, die aus einer Tiefgarage schossen sowie eine pilzförmige Rauchwolke – sichtbar von weitem: Nach einer verheerenden Explosion neben dem Einkaufszentrum Markthof, herrschte am späten Donnerstagnachmittag in Nussbaumen AG Ausnahmezustand. Zwei Menschen liessen ihr Leben, elf Personen erlitten Verletzungen sowie Rauchvergiftungen.
Laut der Kantonspolizei Aargau handelt es sich bei den beiden Toten um einen 24-jährigen Schweizer und um einen 43-jährigen Italiener. Als Ursache für den verheerenden Brand vermutet die Polizei «potentes» Feuerwerk: Es sei wohl mehr als eine normale Feuerwerkbatterie gewesen, aber nicht Sprengstoff im eigentlichen Sinn, so Polizei-Sprecher Daniel Wächter an einer Medienkonferenz in Nussbaumen.
Rund 200 Feuerwehrleute seien nach der Explosion im Einsatz gewesen, sagt Einsatzleiter Lorenz Füglister im Gespräch mit Blick am Folgetag. Er habe schon einige Einsätze hinter sich, aber «so eine Wucht habe ich noch nie erlebt.»
Auf Aufnahmen war zu sehen, wie sich Einsatzkräfte rund um das Gebäude abseilten, um Menschen vom Dach eines Wohnhauses zu evakuieren.
Das Video einer Leserreporterin zeigte ein grosses Loch im Asphalt vor dem Gebäude, aus dem massiv Rauch quoll. In der betroffenen Tiefgarage herrschte am späten Donnerstagabend teils noch Einsturzgefahr. Die Druckwelle der Explosion war so stark, dass bei einem Leserreporter die Balkonfenster zersprangen.
Gemeinde organisiert Unterkunft für Evakuierte
Bettina Lutz-Güttler (56), Gemeindepräsidentin von Obersiggenthal AG, besuchte am Freitagvormittag ebenfalls die Unglücksstelle. «Das Ereignis hat mich aufgewühlt. Man kennt solche Bilder sonst nur aus Kriegsgebieten», sagt sie zu Blick. Lutz-Güttler ist es ein grosses Anliegen, den Angehörigen der Opfer ihr tiefstes Beileid auszusprechen.
In der Nacht auf Freitag hat die Gemeindepräsidentin gemeinsam mit Mitarbeitern die ganze Nacht vor Ort verbracht. «Wir koordinierten gemeinsam mit der Polizei die Massnahmen und schauten bezüglich Unterbringung von Personen.» Man habe versucht, mögliche Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
«Alles war schwarz»
Arda Kurmus (17), ein Bewohner des Hochhauses, war gerade mit seiner Mutter mit dem Aufräumen der Wohnung beschäftigt. «Plötzlich hat alles vibriert. Es hat ein paar Explosionen gegeben – so eins, zwei, drei. Es ging alles sehr schnell.» Erst habe er gedacht, es sei alles halb so schlimm, dann habe er das Ausmass der Detonation in der Tiefgarage gesehen. «Es gab ein grosses Feuer, alles war schwarz. Da ist mir klar geworden, dass es mega schlimm ist.» Der Hauswart habe die Bewohner daraufhin gebeten, in ihren Wohnungen zu bleiben.
«Dann gab es noch mal mehrere Explosionen», fügt der Jugendliche hinzu. Seine Mutter und er könnten nicht mehr in die Wohnung zurück. Die Gemeinde habe eine Unterkunft für die Evakuierten organisiert.
Aleksandar Stankovic wohnt nur knapp 100 Meter vom Wohnhaus entfernt, in dem sich die Explosion ereignete. Er sagt zu Blick: «Die Pizzeria, die sich unten in dem Haus befindet, brennt. Ausserdem haben die Wohnungen darüber – im ersten Stock – Feuer gefangen.» Den Moment der Explosion wird er so schnell nicht vergessen. «Es hat sich angefühlt wie ein Erdbeben.»
Drohnen stören Rettungsarbeiten
Die Kapo appellierte auf X an Hobby-Drohnenpiloten, die mit ihren Flugobjekten den Einsatz in der Luft behinderten. «Aufgrund Drohnen können Rettungshelikopter nicht mehr fliegen. Drohnenpiloten werden dringend gebeten, die Drohnen aus der Luft zu holen!», hiess es in einem Post auf dem Kurznachrichtendienst.
«Ich war gerade am Fenster. Es gab einen lauten Knall, jetzt sieht man eine Rauchwolke. Man hört ganz viele Sirenen. Es war echt laut, man sah Funken», berichtet eine weitere Leserreporterin.
«Ich lag in meinem Bett, mit dem Fenster gekippt, als plötzlich ein lauter, wirklich ohrenbetäubender Knall erklang. Ich hörte mehrmals Explosionen und nur kurz darauf danach schon extrem viele Polizeisirenen. Es hat mir und meiner Familie extrem viel Angst gemacht», erzählt eine andere Leserreporterin, die in Nussbaumen wohnt.
Ein Leserreporter schreibt Blick, er wohne etwa 400 Meter von der Unglücksstelle. Die Wucht der Explosion habe sein Haus etwa drei Sekunden lang erzittern lassen, sein verschreckter Hund habe gejault. Ein anderer Leser stand in der Nähe auf einer Wiese: «Wir waren mit unseren Modellflugzeugen beschäftigt, als es plötzlich einen lauten Knall gab. So etwas habe ich noch nie gehört. Dann kam weisser Rauch, dann wurde er schwarz. Es hat überall Blaulicht.»
Am Tag danach ist das Ausmass der Explosion deutlich sichtbar. Bilder zeigen eine völlig verbrannte Pizzeria. Die Gäste mussten das Lokal offenbar fluchtartig verlassen: Überall stehen noch volle Teller auf den Tischen. Auf Bildern von der Tiefgarage, in der sich die Detonation ereignet hat, sind deutliche Rückstände der heftigen Explosion zu sehen. Der Boden ist komplett verrusst – der engste Gefahrenbereich nach wie vor abgesperrt. Kurz nach 11 Uhr wurden die am Abend evakuierten Anwohner Stockwerk für Stockwerk in ihre Wohnungen gelassen, um ihre Habseligkeiten zu holen.
Laut der Kantonspolizei Aargauer dauern die Ermittlungen an.