Es ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Angehörigen. Der Autofahrer (42), der vor über sieben Jahren in Dottikon AG mit seinem Mercedes Vito den jungen Vincent B.* (†17) auf dem Zebrastreifen totgefahren hat (BLICK berichtete), wurde nun vom Bundesgericht freigesprochen.
«Was? Das habe ich noch gar nicht erfahren», sagte Vincents Vater Marco B.* (48) gestern zu BLICK. Er werde sich sofort bei seinem Anwalt erkundigen. «Dieses Urteil heisst ja quasi, dass in Zukunft jeder jemanden auf einem Zebrastreifen totfahren kann – ohne eine Strafe zu kriegen!»
Der lange Kampf des Vaters
Der Logistik-Stift starb am 22. Dezember 2010. Nur 200 Meter von seinem Zuhause entfernt. Vincent B. wollte am Morgen zur Arbeit und den Fussgängerstreifen auf der Bahnhofstrasse überqueren. Da wurde er von einem ersten Auto touchiert, dessen Fahrer (damals 23) später in seinem Heimatland Deutschland bestraft wurde.
Der Fahrer des zweiten Autos, das von der anderen Seite kam und Vincent B. die tödlichen Verletzungen zufügte, kämpfte in den letzten Jahren bis vor Bundesgericht für seine Unschuld. «Eine lange Zeit, die immer wieder aufwühlte», so Marco B.
Lenker will geblendet gewesen sein
Der Fahrer des zweiten Wagens hatte beim ersten Prozess vor Bezirksgericht ausgesagt, dass es dunkel, neblig und regnerisch gewesen sei. Zudem hätten ihn Weihnachtsbeleuchtungen und Autoscheinwerfer geblendet. Er sei nur mit 30 oder 40 km/h gefahren, habe niemanden kommen sehen. Doch der Staatsanwalt war sich sicher: Der Lenker hätte Vincent sehen müssen.
Dennoch: Das Bezirksgericht sprach den Lenker frei. Grund: Vincent B. sei durch den ersten Aufprall sehr schnell und überraschend auf die Gegenfahrbahn geschleudert worden. Dies erkläre, warum der zweite Lenker auch bei Vollbremsung nicht rechtzeitig habe anhalten können.
Ein Hin und Her beim Urteil
Die Angehörigen zogen das Urteil vor Obergericht. Dieses verurteilte den Lenker im Jahr 2016 wegen fahrlässiger Tötung unter anderem zu einer Busse von 2000 Franken. Zudem sollte er eine Genugtuung an die Eltern und den Bruder von Vincent von total 25’000 Franken zahlen.
Der verurteilte Fahrer ging weiter bis vor Bundesgericht. Dieses wies den Fall zurück zum Obergericht. Verrückt: Es sprach den Lenker im Mai 2017 nun doch frei. Dagegen machten wiederum Vincents Eltern Einsprache.
Vincent wäre vor vier Tagen 25 Jahre alt geworden
«Dass das Bundesgericht am Ende auf einen Freispruch entscheidet, das macht mich fast sprachlos», so Vincents Vater. «Das kann es nicht sein.» Er habe nach dem langen Kampf um Gerechtigkeit keine Kraft mehr, den Fall noch vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.
Es seien eh schon ganz schwierige Tage, sagt Marco B. tieftraurig: «Am 7. Mai wäre mein Vincent 25 Jahre alt geworden.»
* Name der Redaktion bekannt