Mit 16 schwängerte Adrian seine Sereina (17)
«Wir dachten halt immer, uns passiert das nicht»

Teenager, die Mutter werden, gab es immer schon. Heute erzählt Seraina, die mit 17 schwanger wurde und den Kindsvater heiratete, von ihrem Glück.
Publiziert: 07.04.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:59 Uhr
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Foto: ZVG
Von Nadine Chaignat

Sie wohnen dort, wohin sich kaum ein Tourist verirrt. Im 250-Seelendorf Riom in Graubünden, am Hügel, etwas ab von der Hauptstrasse nach Savognin. Eine grosse Burg, die Dorfkirche und ein paar Häuser. Adrian (30) und Seraina (31) gingen schon zusammen zur Schule. Doch erst danach wurden die beiden ein Paar. «Wir waren ein Jahr zusammen», sagt Seraina, «dann ist es passiert. Ich wurde schwanger.»

Adrian war damals 16, Seraina 17. «Ich machte eine Lehre als Hotelfach­assistentin und hatte fünf Wochen Blockschule», sagt Seraina. «Mir war immer schlecht, hundsmieserabel ging es mir. Ich dachte, das ist vom Heimweh, ich habe nie gross darüber nachstudiert, dass ich schwanger sein könnte.»

Die Mutter von Adrian ahnt als Erste etwas und kauft einen Schwangerschaftstest. Seraina: «Am Sonntag habe ich mit Adrian den Test gemacht. Da ist einfach die Welt untergegangen, wirklich. Alles war schlimm. Ich fragte mich, wie geht es weiter, was machen wir? Wir waren beide in der Lehre.» Adrian war etwas gelassener: «Ich nahm das nicht so tragisch», sagt er heute. Seraina ergänzt: «Er sagte immer, wir schaffen das, wir machen das zusammen.»

Verhüten war für die beiden nie ein grosses Thema: «Wir dachten immer, uns passiert das nicht.» Die Teenager müssen ihre Eltern informieren. «Sie waren ziemlich geschockt», so Seraina, «aber alle sagten uns, dass sie uns unterstützen werden.»

Im Dorf sprach sich die Schwangerschaft schnell rum. Doch Negatives hörten die beiden kaum. Kurz vor der Geburt zog Adrian zu Seraina. Die Wohnung gehört Serainas Eltern, Miete mussten sie keine zahlen.

«Es war schwierig», sagt Seraina, «zusammen zu wohnen, dann noch zu dritt. Die Kollegen hatten keine Zeit mehr für uns. Sie gingen in den Ausgang, wir wussten, wir bleiben eh zu Hause. Wir haben viele Kollegen verloren wegen Fabrizio. Damals war das schlimm, heute natürlich nicht mehr.»

Serainas Eltern helfen, hüten den Kleinen, sodass Adrian und Seraina Zeit für sich haben. «Doch im Ausgang hatte man immer das Kind im Kopf», sagt Seraina, «man ist nie mehr alleine. Und das mit 18! Mit der Zeit wurde es normal, es blieb uns nichts anderes übrig.»

Der Hotelbetrieb, in dem Seraina ihre Lehre angefangen hatte, ermöglichte ihr, ein halbes Jahr später die verpasste Lehrzeit nachzuholen. Statt unregelmässig und an den Wochenenden, konnte Seraina 50 Prozent arbeiten, während ihre Eltern Fabrizio hüteten. Adrian war im letzten Lehrjahr als Forstwart. Für Seraina keine einfache Zeit. «Wir hatten ein strenges Jahr, beide in der Lehrabschlussprüfung. Wenn ich heimkam, hiess es: Heute ist Fabrizio das erste Mal gelaufen, er hat das und jenes gemacht. So viel zu verpassen, war hart. Beim Abschluss ist dann eine grosse Last abgefallen. Ich bin stolz darauf.»

Mit ihren Lehrlingslöhnen konnten sich die beiden über Wasser halten. Nach der Rekrutenschule heirateten sie in der Dorfkirche. «Das Beste, was mir passieren konnte», strahlt Seraina. Warum sind sie so lange schon glücklich zusammen? «Ich weiss es auch nicht, einfach aus Liebe. Immer noch. Wir haben uns nie getrennt, nie. Er ist der Einzige. Und ich hoffe, es bleibt auch so», sagt sie.

Vier Jahre nach Fabrizio kommt Elia (heute 9) zur Welt. Mit 31 Jahren bilanziert Seraina: «Ich habe gesunde Kinder und geniesse das Leben mit meinen Männern.»

Vor Jahren hatte Seraina mal eine Krise: «Ich hatte wirklich uh Mühe mit allem, dachte, ich habe was verpasst und hatte das Gefühl: Jetzt hast du alles falsch gemacht.» Ein halbes Jahr dauerte dieses Tief. «Geholfen hat mir, dass wir alle gesund sind. Es wird auch immer leichter, die Kinder werden grös­ser, man hat weniger Arbeit.»

Um 16 Uhr kommen Fabrizio und Elia von der Schule, rufen «Ciao» und erzählen auf Rätoromanisch von ihrem Tag. Fabrizio ist inzwischen fast so alt wie Adrian, als er Vater wurde. «Jetzt zu sehen, wie jung man war. Da sage ich manchmal, mein Gott, waren wir so Schnuderi? Das kann man sich nicht vorstellen», sagt Seraina.

«Ich dachte einige Male, dass wir es nicht schaffen. Es ist eine grosse Verantwortung. Ich glaube, die Familie hat mir die Kraft gegeben. Und einfach der Zusammenhalt mit dem Mann – dass er bei mir geblieben ist.»

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