Millionen am falschen Ort?
So rechtfertigt sich der Glückskette-Chef

Nur zehn Prozent der gesammelten Glückskette-Spenden fliessen in Nothilfe-Projekte entlang der Balkanroute. Der Rest unterstützt Flüchtlinge in Syrien und den Nachbarländern. Das hat zu Kritik geführt. Glückskette-Direktor Tony Burgener begründet den Entscheid.
Publiziert: 19.10.2015 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:56 Uhr
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Von der Reise geschwächte Flüchtlinge sind besonders krankheitsanfällig.
Foto: Keystone

Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Glückskette «hält nicht, was sie verspricht», titelt die «Schweiz am Sonntag» gestern. Nur ein Bruchteil der über 24 Millionen Franken, welche die Schweiz für Menschen auf der Flucht gespendet hat, würden in Hilfsprojekte entlang der Balkanroute fliessen.

Dabei sagte Glückskette-Kommunikationsleiterin Priska Spörri anlässlich des nationalen Sammeltags am 15. September noch: «Unsere Partnerhilfswerke brauchen vor allem Mittel für die Nothilfe auf der Balkanroute.»

Allerdings würden derzeit lediglich vier Projekte – drei in Serbien und eines an der griechisch-mazedonischen Grenze – unterstützt. Und zwar mit jeweils 200'000 Franken, dem Betrag aus den sogenannten «Direktorenanträgen». Der Rest fliesse in Projekte vor Ort, zum Beispiel in Syriens Nachbarländer. «Ein eklatanter Widerspruch zu den Aussagen während des zurückliegenden Glückskette-Sammelmonats», kritisiert die Zeitung.

«Es gibt derzeit keine fixe Strukturen»

Gegenüber Blick.ch rechtfertigt sich Glückskette-Direktor Tony Burgener heute. Die Situation in den Ländern entlang der Fluchtroute nach Europa ändere sich täglich, teilweise sogar stündlich, sagt er. «Es gibt derzeit keine fixen Strukturen, die man unterstützen kann. Es macht keinen Sinn, zwei Millionen in ein Projekt zu schiessen.»

Die Menschen in den Krisenländern und den Nachbarsstaaten zu unterstützen, ist laut Burgener für viele «prioritär» – «auch für die internationale Gemeinschaft». Den Entscheid, Balkanroute-Projekte vorläufig mit den «schnellen und unbürokratischen Direktorenbeiträgen» zu unterstützen, habe er entgegen der Aussage in der «Schweiz am Sonntag» nicht «im Alleingang», sondern in Absprache mit der Direktion gefällt.

200'000 Franken seien zudem «nicht wenig Geld» und der Hilfeantrag könne erneut gestellt und auch ein weiteres Mal bewilligt werden. «Die Situation auf der Fluchtroute kann sich ändern. Jetzt kommt der Winter – wenn wir sehen, dass Menschen monatelang irgendwo blockiert sein werden, könnten auch grössere Beträge für einzelne längerfristige Projekte gesprochen werden», sagt Burgener.

Vielleicht bald mehr Geld für Fluchtroute-Projekte

Gemäss der Glückskette-Website sind bis jetzt 1,2 Millionen Franken für Fluchtweg-Projekte geflossen. «Am Ende werden wir vielleicht 50 Prozent der Mittel auf dem Balkan einsetzen, je nach Entwicklung und Projektanträgen», sagt der Glückskette-Chef in der «Schweiz am Sonntag». Auch gegenüber Blick.ch spricht er von Flexibilität. Es könne sein, dass schon nächste Woche, in zehn Tagen oder in zwei Wochen mehr Gelder gesprochen werden.

«Wir nehmen die Kritik ernst», sagt er. Die Berichterstattung, insbesondere die am nationalen Spendentag, habe sich stark auf die Balkanroute fokussiert. Es sei aber von Anfang an transparent gewesen, dass die Spenden in zwei verschiedene Kanäle fliessen werden: In Syriens Nachbarländer sowie auch in Projekte entlang der Balkanroute oder in den Mittelmeerländern.

Von den Partnerhilfswerken habe Burgener bisher keinerlei negative Reaktionen bekommen. (lex)

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