Darum gehts
- Schweizer Medien streben nach staatlichen Subventionen trotz Ablehnung durch Stimmbürger
- Peter Wanner könnte Hauptprofiteur der neuen Medienförderung werden
- Geplante jährliche Verteilung von Steuergeld: 210 Millionen Franken
Was haben Bauern und Medien miteinander zu tun? Bei beiden gehört die Jagd nach Subventionen zum Geschäftsmodell. Bloss gehen die Vertreter der Landwirtschaft etwas geschickter vor als jene der sogenannten vierten Gewalt im Staat.
Die steckt in einer tiefen Krise, weil immer mehr Schweizer Werbegelder zu den US-amerikanischen Tech-Konzernen abfliessen – und immer weniger Zeitungs- und Zeitschriften-Abos gekauft werden. Darum wird auf politischem Weg nach allen Regeln der Kunst um staatliche Unterstützung gebuhlt. Dafür gibt es berechtigte und ehrenhafte Gründe, gehören freie Medien doch zu den Bedingungen für eine offene Demokratie. Abschreckende Beispiele liefert die Gegenwart gerade genug.
Drei Vorstösse von drei Freiburgern
Der letzte grosse Anlauf für einen staatlichen Obulus, das Medienförderungsgesetz der damaligen Bundesrätin Simonetta Sommaruga (64), ist 2022 krachend gescheitert. Eine kleine Gruppe um den Ostschweizer Verleger Bruno Hug (70) hatte erfolgreich das Referendum ergriffen. Die Mehrheit der Stimmbürger war dagegen, die Verlage mit der Giesskanne jährlich mit 287 Millionen Franken zu unterstützen («Nein zu staatlich finanzierten Medien»).
Also versuchten es die Interessenvertreter erneut – in der diesjährigen Frühlingssession im März brachte die Freiburger Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (65) eine parlamentarische Initiative durch, die die bisherige Presseförderung von 50 Millionen Franken um weitere 35 Millionen aufstockt. Und damit nicht genug: In der kommenden Sommersession peilen zwei weitere Vorstösse der Ständeräte Philippe Bauer (62, FDP) und Isabelle Chassot (60, Mitte) – kurioserweise stammen alle drei Vorstösse von Freiburgern – eine nochmalige Erhöhung der Medien-Subventionen an.
Hug schreibt Brandbrief an das Parlament
So soll der Zustupf aus dem sogenannten Serafe-Gebührentopf für die privaten Radio- und TV-Sender von heute 86 Millionen nochmals um weitere 26 Millionen auf jährlich 112 Millionen erhöht werden. Dazu kommen noch neun Millionen pro Jahr für weitere geplante Unterstützung. Zusammen mit dem bereits gefällten Beschluss vom März erhielten die Verleger vom Schweizer Parlament allein heuer 70 zusätzliche Millionen pro Jahr. Was insgesamt eine jährliche Verteilung von Steuergeld von 210 Millionen Franken ausmacht – im vorgesehenen Zeitraum wären das 1,4 Milliarden Franken.
Da stellt sich die Frage, wohin diese Gelder fliessen. Bislang hat der Verlegerverband diese Zahlen wie einen Schatz gehütet.
Das Manöver im Bundeshaus blieb nicht ohne Folgen: Prominente bürgerliche Politiker stellten sich dagegen, aber auch der linke Verband Medien mit Zukunft übte Kritik. Vor allem aber lockten die Vorgänge Bruno Hug wieder aus der Deckung. In einem Brandbrief wandte sich der Verlegerschreck am 2. März an alle 246 Parlamentsmitglieder mit einer unverhohlenen Botschaft: «Muss wieder das Referendum ergriffen werden?»
Bereits ist die Rede von einer «Lex Wanner»
Da läuteten bei einigen Verlegern die Alarmglocken, am lautesten bei Peter Wanner (80), dem Patron von CH Media – und grossen Profiteur des neuen staatlichen Geldsegens. Der Aargauer hat das operative Geschäft zwar schon der nächsten Generation übergeben, fühlt sich aber wohl in seiner Rolle als Medienlobbyist, als Presse-Parzival auf edler Mission. Darüber hinaus taktiert er glänzend in eigener Sache, wie Recherchen zeigen. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens sollen gemäss Bulliard-Marbachs Vorstoss nur Zeitungen mit einer Auflage unter 40’000 Exemplaren zum Zuge kommen. Dafür hat Wanner mit seinen diversen regionalen Blättern das perfekte Portfolio. Zweitens kontrolliert er einen ganzen Teppich aus grösseren und kleineren lokalen Sendern, der von Tele Bärn bis Radio Central reicht. Das garantiert Wanner einen stolzen Ertrag aus dem Gebührensplitting.
Nach verlässlichen Berechnungen, die Blick recherchiert hat und von mehreren Insidern bestätigt werden, wären das für Wanners CH Media-Verlag – im Fall eines Erfolgs in der Sommersession – über 30 Millionen Franken pro Jahr. Manche Parlamentarier reden darum beim neuen Paket von einer «Lex Wanner».
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Wanner nach Bruno Hugs Referendumsdrohung bei diesem vorstellig wurde und um einen Verzicht auf eine solche Aktion bat. Wanner legte Hug ein offizielles Schreiben des Schweizer Verlegerverbands (VSM) vor, das die Verbandsspitze am 29. März absegnete. Darin hat sich die Branchenorganisation gegenüber Hug und seinem Verband Schweizer Online-Medien (VSOM) verpflichtet, künftig eine neue Medienförderung anzugehen, in der keine Mediensegmente mehr ausgeschlossen seien. Zudem soll die Medienvielfalt gefördert werden, «statt nur gutbetuchte Monopolverlage mit Geld zu überschütten», wie Hug es gegenüber Blick formuliert. Staatlich finanzierte «Sterbebegleitung» nennen manche Branchenexperten den derzeitigen Kurs.
CH Media: «Nicht mehr als 20 Millionen»
Und was sagt man bei CH Media? Ein Sprecher sagt, dass die Zahlen «deutlich zu hoch» und nicht nachvollziehbar seien. Fakt sei, dass der Verlag aktuell jährlich rund 1,5 Millionen Franken für die Zustellermässigung bei insgesamt 15 Regionalzeitungen erhält sowie 9,2 Millionen Franken für den Betrieb der Sender Radio Central, Tele Bärn und Tele M1. Das seien «weniger als 3 Prozent des Gesamtbudgets von CH Media.» Wie hoch die Unterstützung in Zukunft sein wird, könne man aktuell nicht abschätzen. «Wir gehen davon aus, dass selbst im besten Falle CH Media nicht mehr als 20 Mio. Fördergelder pro Jahr erhält.» Die Sender TVO und Tele 1 würden zur NZZ-Gruppe gehören, lautet ein Argument. Auf der Homepage indes weist CH Media die beiden Kanäle unter «unsere Marken» aus.
Minne herrscht ohnehin keine – im Gegenteil. Die Sache sorgte innerhalb des Verlegerverbands für gehörigen Zoff: Die grossen Verlagshäuser TX Group, NZZ und Ringier, die den Blick herausgibt, standen explizit nicht hinter der Erklärung. Hug wiederum hat von diesem wichtigen Detail erst im Nachhinein erfahren und ist entsprechend düpiert – der Verlegerverband garantiert zwar eine neue Medienförderung, doch stehen die grössten drei Verlagshäuser der Schweiz nicht dahinter.
Für den Deal sprach sich neben Verlegerverbands-Vize Wanner auch Verbands-präsident Andrea Masüger (68) aus. Der lange von ihm präsidierte Churer Somedia-Verlag notabene gehört ebenfalls zu den Profiteuren der neuen Subventionen. Bundesbern ist auch ein Basar für Mediensubventionen.
Hug: «Muss es immer ich sein?»
Zu Peter Wanners Intervention bei Bruno Hug teil der CH-Media-Verlag mit: «Selbstverständlich ist man in der Medienbranche im Austausch. Korrekt ist, dass sich eine Delegation des Verbands Schweizer Medien (VSM) mit Vize-Präsident Peter Wanner mit dem Verband der Schweizer Onlinemedien getroffen hat, dessen Präsident Bruno Hug ist.»
Die Frustration ist im Branchenverband derart gross, dass TX, respektive der Tamedia-Verlag, dem Vernehmen nach mit dem Gedanken spielt, den Mitgliederbeitrag an den Verband zu reduzieren.
Offen bleibt die Frage, ob Hug jetzt doch noch zum Referendum greift. Dazu sagt er: «Nach den neusten Informationen aus dem Verlegerverband und der Tatsache, dass das Stimmvolk im Februar 2022 weitere Mediensubventionen klar abgelehnt hat, müsste man. Aber muss es in der Medienfrage immer ich sein, der dem Parlament Respekt vor dem Volk beibringen muss?»