«Jeder Vollidiot hätte die Daten in die Finger bekommen können»
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Milieu-Beizer Roland Gisler:«Jeder Vollidiot hätte die Daten in die Finger bekommen können»

Milieu-Beizer Roland Gisler brachte den Zürcher Datenskandal ans Licht
«Jahrelang hat mir niemand geglaubt»

Ausgerechnet ein Milieu-Beizer brachte den Datenskandal um die Zürcher Justizdirektion ins Rollen: Roland Gisler (58). Blick hat ihn in seiner Bar besucht.
Publiziert: 03.12.2022 um 01:44 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2022 um 11:02 Uhr
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Roland Gisler brachte den Zürcher Datenskandal ans Licht.
Foto: Siggi Bucher
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Michael SahliReporter News

Ausgerechnet hier landeten die vertraulichen Daten der Zürcher Justizdirektion: in der berüchtigten Langstrassen-Beiz Neugasshof, wo die Hell's Angels einst ihren Stammtisch hatten. Bei Beizer Roland Gisler (58), dem nach einer Razzia in der Bar im Jahr 2017 eine mehrjährige Haftstrafe wegen grossangelegten Cannabis-Handels droht.

Und der sich ein Stück Gefängnis in sein Lokal geholt hat, wie er beim Treffen mit Blick stolz behauptet: «Die schwere Türe am DJ-Pult stammt ursprünglich aus dem Gefängnis Regensdorf!»

Kurz: Es ist wohl einer der letzten Plätze auf der Welt, wo die Zürcher Staatsanwälte Listen mit ihren Privatadressen, Telefonnummern und anderen sensible Daten sehen wollen. Und darüber muss Milieu-Beizer Gisler am Tag, nachdem der Datenskandal publik wurde, selbst ein bisschen schmunzeln. «Bisher habe ich noch nichts von der Staatsanwaltschaft gehört», sagt er wieder ernst. «Aber vielleicht kommt das noch. Die reagieren halt nicht so schnell.»

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«Der einzige Grund, warum die mich wegen des Grases so hart drannehmen, sind diese Daten.»
Roland Gisler
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Gislers Bruder, der für die Justizdirektion ausgemusterte – aber eben nicht gelöschte – Geräte abholte, habe seit langem von den heiklen Daten gewusst. Und er selbst habe schon vor Jahren versucht, den Datenskandal bekannt zu machen, so der Milieu-Beizer. Er habe bei den Behörden mehrfach Alarm geschlagen. «Es hat mir aber niemand geglaubt. Es passierte nichts.» Als er einem Staatsanwalt bei einer Einvernahme von den heiklen Daten erzählt habe, habe dieser nicht reagiert, erzählt Gisler weiter. «Darauf habe ich ihm seine eigene Mitarbeiterbeurteilung gemailt.»

Mit der Staatsanwaltschaft hat der Beizer mehr als eine offene Rechnung. Drei Millionen Franken illegalen Cannabis-Gewinn habe er gemacht, den er nun an den Staat abgeben soll, so steht es in den Forderungen der Anklagebehörde. «Eine lächerlich hohe Zahl», sagt Gisler. Es seien gar Vermögenswerte beschlagnahmt worden, die seinem Bruder gehören. Die Frage dürfte demnächst das Bundesgericht beschäftigen. Für Gisler hängen beide Fälle zusammen: Datenleck und Cannabis. «Der einzige Grund, warum die mich wegen des Grases so hart drannehmen, sind diese Daten.»

Es fällt Gisler schwer, seinen Ärger in Worte zu fassen, er hat Mühe, sich zu fokussieren. Und es ist nicht einfach, den Überblick über den Fall zu behalten: Der Aktenberg überflutet den Schreibtisch wie den Computer-Desktop.

Wo sind die heiklen Daten gelandet?

Klar ist aber: Der Beizer fühlt sich ungerecht behandelt. Und wehrte sich gegen die Staatsanwaltschaft mit grenzwertigen Mitteln. Er hing Plakate mit Vorwürfen an die Staatsanwälte an deren Wohngemeinden auf. Schickte ihnen Fotos davon auf ihre privaten Handynummern. Und soll an ihren Privatadressen aufgekreuzt sein. Resultat: acht Monate in U-Haft und ein Strafverfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Zudem eine weitere Runde im Schlagabtausch zwischen Milieu-Beizer und Anklagebehörde.

Stellt sich die Frage: Wo sind die Daten überall gelandet? Und was findet sich sonst noch alles auf den Geräten, die laut Gisler auch ins Ausland transportiert wurden? «Das ist gerade ein bisschen eine heikle Frage», sagt dieser. «Dazu schweige ich lieber.»

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