Der Migrationspakt wird an einer Konferenz vom 10. und 11. Dezember in Marrakesch verabschiedet. Dass die Schweiz nicht teilnehmen wird, steht seit einer Woche fest: Der Bundesrat beschloss, dem Pakt vorerst nicht zuzustimmen. Er befürwortet diesen zwar, wollte aber die Debatten im Parlament abwarten.
Der Ständerat hat sich nun dafür ausgesprochen, dass der Bundesrat dem Parlament die Zustimmung beantragt statt in eigener Kompetenz zu entscheiden. Er nahm Vorstösse der Aussenpolitischen und der Staatspolitischen Kommission mit 25 zu 15 Stimmen an. Ausserdem beauftragte der Rat den Bundesrat, einen Bericht über die wachsende Bedeutung von "Soft Law" vorzulegen.
Die SVP- und ein Teil der FDP-Vertreter hätten bereits einen inhaltlichen Entscheid fällen wollen. Hannes Germann (SVP/SH) forderte mit einem Vorstoss, dass die Schweiz dem Pakt definitiv nicht zustimmt. Das lehnte der Rat mit 22 zu 14 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab.
Germann erklärte, er sei durch Medienberichte aufgeschreckt worden. Der Pakt führe zu einer globalen Migrationsgesellschaft, zu weltweiter Niederlassungsfreiheit - "zwar nicht explizit, aber implizit". Explizit verankert ist im Pakt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen.
Philipp Müller (FDP/AG) kritisierte, Migration werde im Dokument nur positiv dargestellt. 89 Mal komme die Formulierung "wir verpflichten uns..." vor. Für Migranten oder Herkunftsländer gebe es dagegen keinerlei Verpflichtungen.
Damian Müller (FDP/LU) argumentierte mit der "innenpolitischen Stimmung". Der Bundesrat dürfe nicht übersehen, was "das Volk" denke. "Ich halte das Dokument nicht für völlig falsch, im Gegenteil", sagte Müller. Migration müsse international angegangen werden. Der Pakt könnte dazu beitragen, Migration besser zu beherrschen - aber nur, wenn er von der Bevölkerung getragen werde.
Die Vertreterinnen und Vertreter der SP ärgerten sich über diese Haltung. Die Kampagne gegen den Uno-Migrationspakt sei europaweit von Ultrarechten organisiert worden, stellte Christian Levrat (SP/FR) fest.
Auch in der Schweiz sei man darauf hereingefallen. Dabei enthalte der Pakt vor allem Selbstverständlichkeiten. Schere die Schweiz aus, gebe sie ein fragwürdiges Bild ab. Sie stelle sich in eine Reihe mit Trump, Orban, Netanjahu, der FPÖ und der AfD.
Levrat warnte auch vor negativen Auswirkungen. Dass die Schweiz an der Konferenz in Marokko nicht teilnehme, könnte die Rückführung abgewiesener Asylsuchender erschweren. Entsprechende Signale gebe es bereits. Aussenminister Ignazio Cassis sagte dazu, Marokko habe signalisiert, dass es die Teilnahme an der Konferenz beurteilen werde.
Auch Konrad Graber (CVP/LU) befürchtet Reputationsschaden, wenn die Schweiz abseits steht. Ausserdem wies er darauf hin, dass der Pakt vieles enthalte, was im Parlament immer wieder gefordert werde. Als Stichworte nannte er den Kampf gegen Menschenhandel, Hilfe vor Ort und Rückkehr.
Anita Fetz (SP/BS) sprach von einem "Glaubenskrieg". In den letzten Wochen sei viel Falsches behauptet worden, und zwar gezielt. "So schafft man Stimmung", sagte Fetz. Der Rechten in Europa sei es gelungen, den Pakt zu dämonisieren und die Gesellschaften zu spalten. Dass ein Teil der "opportunistischen Mitte" mitmache, sei ein grosser politischer Schaden.
Im Text habe es tatsächlich ein paar unausgegorene Ziele, räumte Fetz ein. Bei diesen könne die Schweiz Vorbehalte anbringen. Insgesamt sei der Pakt im Interesse der Schweiz. Und nicht nur das: Er sei beispielsweise auch im Interesse von Menschen, die übelst ausgebeutet würden. "Es geht nicht immer nur um uns", stellte die SP-Ständerätin fest.
Pirmin Bischof (CVP/SO) befand, man könne geteilter Meinung sein über Sinn oder Unsinn des Inhaltes. Geklärt werden müssten aber die Kompetenzen von Bundesrat und Parlament im Umgang mit "Soft Law". Der Pakt sei zwar rechtlich nicht verbindlich, aber politisch bindend.
Aussenminister Ignazio Cassis stellte am Ende der Debatte fest, mit dem Pakt werde die Migration weder eingedämmt noch gefördert. Das Ziel sei es, die irreguläre Migration zu Gunsten der regulären zu reduzieren.
Nicht alle Ziele des Migrationspaktes entsprächen der Schweizer Politik. Deshalb habe der Bundesrat entschieden, dass er keine lückenlose Umsetzung wolle. Weiter kündigte Cassis an, dass der Bundesrat sich noch vor Weihnachten mit einem weiteren Pakt befassen werde, dem Uno-Flüchtlingspakt. Der Nationalrat wird seinerseits am 6. Dezember über Vorstösse zum Migrationspakt entscheiden.