«Je nach Ausrichtung zum Wind froren mir die Gesichtshälften ein. Meine Augen tränten, überall war Eis.» Am 9. April ist der Zürcher Michael Bär den Nordpol-Marathon gelaufen. Über 42 Kilometer bei Minus 41 Grad – und die Kälte war noch nicht einmal das Schlimmste.
«Am schwierigsten war der Boden. Schnee auf Eis, da findest du keinen Laufrhythmus», so der 53-Jährige zu Blick.ch. «Ich bin mehrmals eingesunken. Trotz Stollenschuhen mehrmals hingefallen.»
Zwölf Runden à dreieinhalb Kilometer galt es zu bewältigen. Dazwischen konnten sich die Athleten in einem Zelt aufwärmen, sich verpflegen, umziehen oder von einem Arzt untersuchen lassen.
«Warum mache ich das?»
In den letzten vier Jahren ist Bär rund ein Dutzend Marathons gelaufen. Der Lauf am Nordpol zählt er zu den Highlights. «Visuell zwar sehr weiss – aber doch nicht monoton.» Gleichzeitig spricht er von einer Grenzerfahrung: «Irgendwann war die Euphorie weg. Dann kamen die dunklen Gedanken: ‹Warum mache ich das? Warum bin ich hier? Muss das sein?›», so der 53-Jährige.
«Anhalten bei Minus 41 Grad ist unmöglich. Da friert alles ein. Auch gehen machts nicht besser.» Ihm blieb nur eins: Durchhalten bis zur nächsten Pause.
Zwischenzeitlich tauchte ein Sturm die Strecke in ein milchiges Licht. Bär zählte die Runden «noch sechs, noch fünf», seine Gedanken schweiften ab: «Ich hatte Lust auf Fleisch. Stellte mir vor, wie ich nach dem Marathon trockenes Rentierfleisch essen würde.»
«Bedauern, dass es vorbei war»
Mit warmen Getränken und Proteinen hielt er weiter durch. «Es war ein Kampf gegen die Elemente.» Nach etwas über sieben Stunden schaffte es Bär ins Ziel. Als zehnter von 45 Teilnehmern. Ein Ergebnis, das ihn selbst überraschte: «Als ich die anderen Läufer vor dem Start kennelernte, dachte ich, ich sei am schlechtesten vorbereitet. Da waren Profis dabei», so Bär.
Was er beim Zieldurchlauf fühlte, kann er nur schwer in Worte fassen. «Das waren unglaublich viele Emotionen. Von riesiger Befriedigung bis zum Bedauern darüber, dass es vorbei war.»
Erster Schweizer mit Marathon-Grand-Slam-Medaille
Mit dem Nordpol-Marathon hat Bär nicht nur einen persönlichen Höhepunkt erreicht, er ist damit auch der erste Schweizer, der den Marathon Grand Slam geschafft hat (ein Lauf auf allen sieben Kontinenten und am Nordpol).
Kürzer fahren will er deswegen nicht. «Als Nächstes laufe ich den Marathon in Washington D.C. und fürs nächste Jahr Jahr habe ich den Two Oceans Marathon in Kapstadt ins Auge gefasst. Dazwischen gibt es vielleicht noch einen Abstecher nach Athen.»
Wie sich Michael Bär auf den Marathon vorbereitet hat und wie eisig der Wind am Nordpol tatsächlich weht, zeigt TeleZüri in einer vierteiligen Serie ab dem 28. April. Ein Reporter hat den Athleten an den Nordpol begleitet.