Im Mai 2017 wurde Merve Balta (23) aus Märstetten TG beim Joggen brutal überfallen und beraubt. Seither leidet sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. «Ich traue mich nicht mehr aus dem Haus, werde immer wieder panisch und schaffe es dann kaum, mich wieder zu beruhigen», sagt Balta zu BLICK.
Als wäre das nicht genug, werde sie jetzt auch noch von ihrer Helsana-Unfallversicherung drangsaliert, erklärt Balta. Die müsste bei solchen Folgen nach einem Raubüberfall nämlich einspringen. Doch die Helsana verweigert ihre Leistungen. Die Begründung: Balta habe in ihrer Jugend psychische Probleme gehabt – ihre posttraumatische Belastungsstörung sei darum eine Krankheit und laufe über die Krankenkasse.
Beim Joggen niedergeschlagen
Das Unheil nahm gegen Ende Mai 2017 seinen Lauf. An einem heissen Sonntag wartet Balta auf die kühleren Abendstunden, bevor sie joggen geht.
Bei einem Waldstück wird Balta plötzlich von hinten von einem harten Gegenstand am Kopf getroffen. Sie fällt benommen hin. Jemand tritt auf sie ein, trifft sie in die Rippen und ins Gesicht. Der Angreifer klaut ihren iPod – es ist alles, was Balta bei sich hat.
Mit Kopfschmerzen und komplett unter Schock schleppt sich die junge Frau nach Hause. Beim Arzt wird später ein Kieferbruch diagnostiziert, mehrere Zähne wurden ihr beim brutalen Überfall ausgeschlagen.
Dass Unfallversicherungen versuchen, Unfälle als Krankheit abzutun, ist kein Einzelfall. Zuletzt machte etwa die Swica Versicherung Schlagzeilen. Sie wollte Peter M. aus Luzern keine Leistungen zahlen. M. wurde beim Fussballspiel zwischen dem FC St. Gallen und dem FC Luzern 2016 Opfer einer Pyro-Attacke. Der Knallkörper explodierte in seiner Nähe – seither ist er fast taub. Die Swica wertete den Vorfall trotzdem nicht als Unfall. M. musste vor Gericht – und bekam recht.
M.s Anwalt, Sämi Meier aus Luzern, wundert sich über die Geschichte von Merve Balta nicht. «Mit solchen Fällen wie beim Opfer der Pyro-Attacke in St. Gallen, aber auch in Märstetten, sind wir wöchentlich konfrontiert. Das sind keine Einzelfälle und auch keine Extrembeispiele», so Meier. Die Versicherungen würden regelmässig versuchen, Leistungen nicht erbringen zu müssen. Das sei geradezu ein Trend. «Und sie hoffen dabei, dass die Versicherten in ihrer Lage nicht auch noch die Kraft haben, dagegen rechtlich vorzugehen.»
Dass Unfallversicherungen versuchen, Unfälle als Krankheit abzutun, ist kein Einzelfall. Zuletzt machte etwa die Swica Versicherung Schlagzeilen. Sie wollte Peter M. aus Luzern keine Leistungen zahlen. M. wurde beim Fussballspiel zwischen dem FC St. Gallen und dem FC Luzern 2016 Opfer einer Pyro-Attacke. Der Knallkörper explodierte in seiner Nähe – seither ist er fast taub. Die Swica wertete den Vorfall trotzdem nicht als Unfall. M. musste vor Gericht – und bekam recht.
M.s Anwalt, Sämi Meier aus Luzern, wundert sich über die Geschichte von Merve Balta nicht. «Mit solchen Fällen wie beim Opfer der Pyro-Attacke in St. Gallen, aber auch in Märstetten, sind wir wöchentlich konfrontiert. Das sind keine Einzelfälle und auch keine Extrembeispiele», so Meier. Die Versicherungen würden regelmässig versuchen, Leistungen nicht erbringen zu müssen. Das sei geradezu ein Trend. «Und sie hoffen dabei, dass die Versicherten in ihrer Lage nicht auch noch die Kraft haben, dagegen rechtlich vorzugehen.»
Opfer kann bis heute kaum das Haus verlassen
Im Mai und Juni nach dem Überfall versucht Balta wieder zu arbeiten. Versucht, so zu tun, als wäre nichts passiert. Will ihr Leben weiterleben. Doch immer wieder ereilen sie Angstattacken. Schweissausbrüche. Die nackte Panik. Ihr Arzt schreibt sie darum vorübergehend krank.
Heute ist sie noch immer arbeitsunfähig. Die junge Frau schafft es kaum aus dem Haus. Sie ist ein Fall für die Unfallversicherung (UVG). Denn: Unter Unfall versteht das Gesetz «die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat». Raubüberfälle gehören dazu.
Trauma soll keine Folge des Raubüberfalls sein
Doch Baltas Unfallversicherer, die Helsana Unfall AG, lehnt den Fall ab. Begründung: Balta habe schon vor dem Raubüberfall psychische Probleme gehabt. Die posttraumatische Belastungsstörung sei keine Unfallfolge, sondern eine Krankheit. Es ist für das Raubopfer der nächste Schlag ins Gesicht.
Zwar stimmt es, dass Balta während ihrer Pubertät Probleme hatte. «Doch Angstzustände, Flashbacks und Panikattacken habe ich erst seit dem Raubüberfall!»
Eine von der Helsana beauftragte Psychiaterin sieht das in einem Gutachten gleich: «Die Traumafolgestörung wurde vollumfänglich und schliesslich durch den körperlichen Übergriff ausgelöst», heisst es dort unmissverständlich. Dennoch erwähnt sie im Gutachten auch die weiteren Probleme von Balta. Unter anderem eine Tendenz zu einer depressiven Borderline-Störung.
Die Sachbearbeiter bei der Helsana bleiben trotzdem stur. Baltas Trauma sei als Krankheit zu werten. Kein Wunder: Für den Versicherer ist das viel günstiger. Balta hat hingegen nun Probleme. Wegen der Arbeitsunfähigkeit ist sie auf Taggelder angewiesen. Krankentaggelder sind aber limitiert auf eine gewisse Anzahl von Tagen. Das ist abhängig davon, welche Leistungen der Arbeitgeber mit der Versicherung vereinbart hat. Bei der Unfallversicherung hingegen gelten die Taggelder «bis zur Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit».
Zudem: Läuft ihr Fall über die Krankenkasse, muss Balta bei Behandlungen beim Arzt oder in der Psychiatrischen Klinik in Münsterlingen TG einen Selbstbehalt zahlen. Tausende Franken läpperten sich so seit dem Raubüberfall zusammen.
Helsana sieht kein eindeutiges Beschwerdebild
«Ich finde es wahnsinnig unmenschlich, dass die Helsana mich hier im Stich lässt», sagt Balta. Sie ist unterdessen bei ihrer Krankenkasse tief verschuldet. «Die Büroangestellten bei solchen Versicherungen schauen nur aufs Papier und vergessen, dass dahinter menschliche Schicksale stecken!»
Balta hat sich darum einen Anwalt genommen, um sich gegen die Helsana zu wehren. Im Mai hatte sie einen ersten kleinen Erfolg. Weil der Anwalt in einem Schreiben die Helsana daran erinnert hat, dass die eigene Gutachterin einen Zusammenhang zwischen Baltas Trauma und dem Raubüberfall festgestellt hat. Man werde nochmals prüfen, ob Baltas Probleme wenigstens teilweise Ursache für ihre aktuellen gesundheitlichen Probleme seien, schreibt die Helsana in einer Verfügung.
Ausgestanden ist es damit nicht. Denn die Helsana will dafür erst ein zweites Gutachten anfertigen lassen. «Aus den zahlreichen medizinischen Unterlagen konnten wir kein eindeutiges Beschwerdebild ableiten», rechtfertigt sich Mediensprecherin Dragana Glavic, als sie von BLICK mit dem Fall konfrontiert wird. Wichtige Fragen sollen im ersten Gutachten ungeklärt geblieben sein. «In der Folge ordneten wir eine ergänzende medizinische Überprüfung an, um den Sachverhalt umfassend beurteilen zu können», so Glavic.
Das neue Gutachten soll nochmals die Frage beantworten, warum das Raubüberfall-Opfer Balta traumatisiert ist. «Ein Witz», sagt Balta müde.
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