In Gersau SZ fällt ein Bub (6) von der Ladefläche eines Transporters und wird überrollt. In Arbon TG kracht ein Lenker in einen jungen Fussgänger (7). Und in Thun BE stürzt ein Velofahrer (10), zieht sich schwere Verletzungen zu und muss in kritischem Zustand ins Spital.
Alle Unfälle ereigneten sich in den letzten Monaten – und immer waren die jungen Opfer männlich. Die Häufung ist kein Zufall: Für Buben ist der Strassenverkehr erheblich gefährlicher als für Mädchen. Das belegen Zahlen, welche die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) exklusiv für SonntagsBlick ausgewertet hat.
Im letzten Jahr gab es 366 schwere Unfälle mit Minderjährigen im Strassenverkehr. 272 Opfer waren männlich, nur 94 weiblich. Leicht verletzt wurden 1161 Buben – und 790 Mädchen.
Das grösste Risiko besteht für Buben auf dem Töff. Sie verunfallten in den letzten vier Jahren 4,6-mal so häufig wie Mädchen – die steigen allerdings wesentlich seltener aufs Motorrad oder einen Motorroller.
Entscheidend ist die Unfallquote pro zurückgelegtem Kilometer. Dabei kommt das Velo an erster Stelle. Für Buben ist das Risiko zu verunfallen 70 Prozent höher als für Mädchen. Sind sie zu Fuss unterwegs, verunfallen Buben anderthalbmal häufiger.
Doch warum leben sie so gefährlich? «Jungs und Mädchen haben unterschiedliche Risikobereitschaften», erklärt Uwe Ewert (56) von der Forschungsabteilung des bfu. Auf dem Velo bewegten sich Buben grundsätzlich schneller und gewagter. «Sie steigen zum Beispiel nicht ab, wenn sie die Strasse queren, oder fahren öfter freihändig.»
Buben seien spontaner, impulsiver. «Und sie lassen sich wohl auch leichter ablenken», sagt der Experte. Mädchen hingegen agierten selbständiger, aber auch vorsichtiger: «Sie können Gefahren besser einschätzen.»
Schliesslich stünden männliche Minderjährige eher im Wettbewerb untereinander. «Sie wollen sich etwas beweisen. Das kann im Verkehr fatale Folgen haben.»
Verkehrspsychologe Bernhard Schlag (65) von der Uni Dresden (D) hat mehrere Studien zu Kinderunfällen verfasst. Auch für ihn ist das unterschiedliche Risikoverhalten entscheidend. «Dieses kann durch das männliche Hormon Testosteron ausgelöst werden. Bei Jungs ist das Bedürfnis dadurch grösser, starke Empfindungen zu haben.»
Die Neigung zu waghalsigem Verhalten sei schwer therapierbar, «weil sie tief verankert ist». Grundsätzlich sei der Wunsch, neue Erfahrungen zu machen, etwas Positives. «Wichtig ist, dass man das in Bereichen wie dem Verkehr minimiert», sagt Schlag. «Ich bin überzeugt, dass spezifische Kampagnen für Jungs Wirkung zeigen würden.»