Für Ärzte wird das Behandeln ihrer Patienten immer mehr zu einem Minenfeld. Viele können sich immer besser über ihre Leiden informieren und machen es auch. Ergebnis: Die Patienten wehren sich, wenn sie mit der Behandlung unzufrieden sind.
«Die Zahl der Patienten, die sich gegen ihre Ärzte wehren, nimmt seit Jahren zu», bestätigt Rechtsanwalt Stephan Kinzl. Er verhilft pro Jahr mehreren Dutzend Personen nach Ärztefehlern zu ihrem Recht. Grund für den Anstieg ist seiner Meinung nach, dass die vermeintlichen Pfusch-Opfer ihre Rechte heute besser kennen. «Und sie scheuen sich auch immer weniger, gegen ihre Ärzte vorzugehen.»
Unnötige Behandlungen aus Angst vor Klagen
Vor ein Gericht kämen aber nur sehr wenige Fälle, sagt Kinzl. «Die meisten werden aussergerichtlich abgehandelt.» Das zeigen auch Zahlen vom Verband der Schweizer Spitäler H+. Von 6212 Haftpflichtverfahren, die Patienten zwischen 2005 und 2014 gegen ihre Spitalärzte anstrebten, wurden 97 Prozent mit einem aussergerichtlichen Vergleich beigelegt.
Trotzdem wirkt sich die gestiegene Streitlust der Patienten auf das Verhalten der Ärzteschaft aus. Aus Angst vor Kritik oder Klagen ordnen viele Mediziner Untersuchungen und Behandlungen an, welche die Patienten eigentlich gar nicht brauchen. In einer Umfrage der «Ärztezeitung» gaben über 40 Prozent der befragten Allgemeinärzte an, gelegentlich aus diesem Grund eigentlich unnötige Tests anzuordnen.
«Besseres Fehlerbewusstsein bei den Ärzten»
Dieser sogenannte Overuse erhöht nicht nur die Kosten im gesamten Gesundheitswesen, er kann auch die medizinische Qualität der Behandlung mindern. Allein den streitlustigen Patienten lässt sich das aber nicht ankreiden. Fehlverhalten der Mediziner trägt ebenso zur Überbehandlung bei.
Anwalt Kinzl sieht die Klagen der Patienten ohnehin positiv. «Es hat zu einem besseren Fehlerbewusstsein bei den Ärzten geführt», sagt er. Im Unterschied zu früher gebe es heute kaum mehr Mediziner, die sich für unfehlbar hielten.