Seit 2009 lebt die vierköpfige Familie Girard aus dem Kanton Fribourg von November bis Mai auf Guadalupe. Das Klima der Karibik-Insel «verbessert systematisch die Gesundheit von Matthys», haben die Ärzte des Universitätsspitals in Lausanne festgestellt. Der Achtjährige leidet an der seltenen Krankheit Muskelschwund. Sie ist genetisch bedingt und unheilbar.
Nur zwei Jahre würde Matthys leben, sagten die Mediziner ein paar Monate nach seiner Geburt. Besonders seine Atemorgane sind gefährdet. «Eine einfache Grippe kann schnell ausser Kontrolle geraten und zum Tod unseres Sohnes führen», erklären seine Eltern «Le Matin». Dass ihr Sohn immer noch bei ihnen ist, ist vor allem ihrem Einsatz zu verdanken – und dem krankheitsfreien Winter in der Karibik.
In die Karibik kann die Familie nur deshalb jedes Jahr fahren, weil der Vater Informatiker ist und von dort aus für seine eigene Firma arbeiten kann. Familie Girard erhält für ihren Sohn zudem Unterstützung durch die Invalidenversicherung. Die jährlich 34'000 Franken benötigt sie für ein Aupair-Mädchen, das im Haushalt mithilft und für viele weitere Ausgaben, die die Betreuung von Matthys sicherstellen.
«Dringender Verdacht», dass Familie nicht in der Schweiz lebt
Doch mit der IV-Rente ist es nun vorbei. Im Juli 2014 drohte die IV an, die gesamten Beiträge zu streichen, wenn die Familie länger als drei Monate ausser Landes geht. Im November besuchte ein Gutachter die Girards. Ergebnis: Matthys brauche die Unterstützung und auch die Karibik-Aufenthalte seien nötig. Die Familie könne nach Guadelupe reisen – wie jedes Jahr.
Fünf Monate später aber wurden die Leistungen plötzlich gestrichen, und dies mit sofortiger Wirkung. Der Grund: Es gebe den «dringenden Verdacht», dass die Girards gar nicht in der Schweiz leben, weil die beiden Kinder nicht im Kanton Fribourg zur Schule gehen. Die betroffenen Schulen hatten das jedoch genehmigt, schreibt «Le Matin».
Dennoch zweifelt die IV an, dass der Lebensmittelpunkt der Girards in der Schweiz liege. Wäre der Lebensmittelpunkt Guadalupe, wären die Franzosen für die Girards verantwortlich.
«Wir sind den Papierkrieg leid»
«Um sich zu überzeugen, dass wir von Juni bis Oktober in der Schweiz sind, braucht uns die IV nur zu sich rufen», sagt Matthys Vater empört. Der Chef der IV in Fribourg, Mario Fedeli, hält das aber für keine brauchbare Lösung. «Das würde nicht beweisen, dass die Familie in der Schweiz lebt», entgegnet er. «Und es wäre eine überflüssige Schikane für die Familie.» Die endgültige Entscheidung in dem Fall steht noch aus.
«Wenn die IV entscheiden sollte, dass unser Lebensmittelpunkt in Guadelupe ist, dann könnten wir alle Unterstützung verlieren. Das bedeutet auch die medizinische und orthopädische Versorgung sowie alle Hilfsmittel», sagt José Girard zu Blick. Dabei seien sie hier gemeldet, zahlten hier ihre Steuern, seien in der Schweiz versichert, hätten hier Schweizer Kunden und Freunde und Familie. «Die Gemeinde Düdingen ist unser offizielles und legales Zuhause.»
«Unsere Lebenssituation ist nicht einfach, aber wir schlagen uns so gut es geht durch. Doch wir haben kein Bedarf an zusätzlichen Komplikationen und Papierkrieg, den wir leid sind. Uns geht es um das Wohlergehen unseres Kindes, das schwer krank ist. Das ist die tägliche Realität.» (pom)