Mit einer Freundin fährt Sarah* (15) am 31. Dezember 2016 nach Zürich. Am Bellevue wollen sie Silvester feiern, das Feuerwerk über dem See geniessen. «Plötzlich wurden sie von einer Gruppe junger Migranten bedrängt. Sie griffen den Mädchen an das Gesäss, die Brüste und zwischen die Beine», sagt Sefika Garibovic (56). Die Konfliktmanagerin und Sozialtherapeutin ist spezialisiert auf Sexualdelikte. Sie hat mehrere Frauen betreut, die an Silvester 2015 in Zürich von jungen Männern belästigt wurden. Und ist überzeugt: «Solche Angriffe wird es in diesem Jahr wieder geben.»
Vor einem Jahr sorgten Silvesterfeiern weltweit für Schlagzeilen – vor allem jene in Köln (D). Dort gingen über 500 Anzeigen wegen sexueller Übergriffe ein. Die Opfer wurden laut eigener Aussage von Männern aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum angetanzt, dann in der Menge sexuell belästigt. Die Kölner Polizei reagiert. 1500 Beamte stehen an diesem Silvester im Einsatz – zehnmal mehr als im letzten Jahr. Hinzu kommen rund 800 Bundespolizisten und 600 private Sicherheitsleute.
In Zürich ermittelte die Staatsanwaltschaft in elf Fällen (siehe Box). Die Stadtpolizei führte diese Woche eine Lagebesprechung durch. «Aufgrund der Ereignisse vom letzten Jahr haben wir beschlossen, deutlich mehr Personal einzusetzen», sagt Medienchef Marco Cortesi (60). Verstärkung durch die Kantonspolizei habe man bisher nicht angefordert. «Das wäre aber sofort möglich, wenn es nötig ist.»
Bei den zusätzlichen Einsatzkräften handle es sich vor allem um zivile, aber auch um uniformierte Polizisten. Nicht möglich sei es, jede Person einzeln zu kontrollieren. «Die Veranstaltung ‹Silvesterzauber› findet in der Öffentlichkeit statt, es werden gegen 200000 Besucher erwartet.»
Die Veranstalter des «Silvesterzaubers» haben selbst eine «nicht geringe Zahl» privater Sicherheitsleute engagiert, sagt Geschäftsführer Thomas Irniger (61). Zudem gebe es zwei abgetrennte Bereiche, bei denen Eintrittskontrollen stattfinden. «Diese Bereiche entsprechen einem grossen Bedürfnis. Beide sind bereits ausverkauft.»
Nicht nur das Zürcher Korps stockt auf. Die Kantonspolizei St. Gallen wird laut Sprecher Florian Schneider (30) «die Silvesterfeierlichkeiten mit zusätzlichen Patrouillen» begleiten. «Natürlich reagieren wir auf solche Vorfälle und beziehen diese in die Planung mit ein», sagt auch Bianca Liechti von der Stadtpolizei Winterthur ZH. Diese werde die Feier «mit einem entsprechenden Aufgebot» begleiten. Die Schaffhauser Polizei will über eine allfällige Aufstockung nicht informieren. «Das Wissen über die Vorfälle, wie sie in Köln stattgefunden haben, fliesst aber sicher in die Planung mit ein», so Sprecherin Cindy Beer (32). Und bei der Berner Kantonspolizei ist man laut Christoph Gnägi (36) auf das Thema sensibilisiert. «Bei den grösseren Anlässen mit erhöhtem Menschenaufkommen sind die Dispositive immer etwas höher als sonst.»
Laut Therapeutin Garibovic besteht das Problem nicht nur an Silvester. «Erst diese Woche habe ich von einer dreifachen Mutter erfahren, die an einer Tramhaltestelle von über zehn Nordafrikanern begrapscht wurde.» Nicht nur die Polizei sei in solchen Fällen gefordert. «Es waren viele Passanten vor Ort – aber alle haben nur zugeschaut, statt einzugreifen.»
Neben Opfern arbeitet Garibovic auch mit Tätern zusammen. «Im Gegensatz zu anderen Sozialtherapeuten gehe ich diese hart an», sagt sie. Nur zuhören bringe nichts. «Die Männer müssen sich bei mir in die Rolle der Frau versetzen. Nur so merken sie, was sie den Opfern antun.» Frauen empfiehlt die Therapeutin, an Silvester einen Pfefferspray auf sich zu tragen. «Wenn man sich von einem Mann bedrängt fühlt, sollte man zudem das Handy ziehen und signalisieren, dass man die Polizei anruft.»
Wichtig sei auch, selbstsicher aufzutreten. «Solche Typen wählen bewusst Frauen aus, die schüchtern wirken.» So sei es auch bei Sarah gewesen – «ein sehr zierliches, zurückhaltendes Mädchen». Den Silvester werde die Teenagerin wohl nicht in Zürich feiern. «Sie traut sich bis heute nur noch mit den Eltern in die Stadt.»
Der Zürcher Staatsanwalt Daniel Kloiber ermittelte nach den Übergriffen an Silvester in Zürich in elf Fällen. «Wir haben alle Möglichkeiten ausgereizt, welche Technik und Gesetz zulassen», sagt er. «Trotzdem mussten die Verfahren ohne Ergebnis eingestellt werden.» Falls sich neue Beweismittel ergäben, würde man die Fälle wieder aufrollen. Die Täter bleiben also unbekannt. Kloiber geht davon aus, dass sie als Gruppe agierten. «Das zeigt sich bei der Rekonstruktion der Tatorte und Tatzeiten.»
Der Zürcher Staatsanwalt Daniel Kloiber ermittelte nach den Übergriffen an Silvester in Zürich in elf Fällen. «Wir haben alle Möglichkeiten ausgereizt, welche Technik und Gesetz zulassen», sagt er. «Trotzdem mussten die Verfahren ohne Ergebnis eingestellt werden.» Falls sich neue Beweismittel ergäben, würde man die Fälle wieder aufrollen. Die Täter bleiben also unbekannt. Kloiber geht davon aus, dass sie als Gruppe agierten. «Das zeigt sich bei der Rekonstruktion der Tatorte und Tatzeiten.»