So tief ist der Corona-Graben
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Höhere Übersterblichkeit:So tief ist der Corona-Graben

Massiv höhere Übersterblichkeit in Romandie und Tessin
So tief ist der Corona-Graben

Auch die zweite Welle hat die lateinische Schweiz deutlich härter getroffen. Der Abstand zur Deutschschweiz wird jedoch geringer.
Publiziert: 13.12.2020 um 19:38 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2020 um 07:36 Uhr
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Die Zahlen betreffend Übersterblichkeit der italienischen Provinz Bergamo (mit dem gleichnamigen Hauptort) sind unfassbar: Im ersten Halbjahr 2020 – neuere Daten gibt es für Italien nicht – verzeichnete die Region mit 1,1 Millionen Einwohnern eine Übersterblichkeit von 117 Prozent.
Foto: AFP via Getty Images
Thomas Schlittler

Am Montag meldete das Bundesamt für Gesundheit 176 neue Covid-19-Todesfälle innerhalb von 72 Stunden. Am Dienstag waren es 92 Todesfälle in 24 Stunden. Am Mittwoch und Donnerstag je 87 Tote. Am Freitag 106.

Jede dieser Zahlen steht für ein schweres Schicksal, für trauernde Hinterbliebene. Jeder Tote ist einer zu viel. Nur: Wie sind die täglich 80, 90 oder gar 100 Corona-Toten einzuordnen? Ist das viel im Vergleich zu Menschen, die in der Schweiz aus anderen Gründen ihr Leben ver­lieren? Und sind die Corona-Opfer tatsächlich allesamt Menschen, die nicht gestorben wären, wenn es das Virus nicht gäbe?

Die Statistik ist eindeutig

Eine Analyse der offiziellen Todesfallzahlen des Bundesamts für Statistik zeigt: Jede dieser Fragen lässt sich klar mit Ja beantworten.

2019 starben in der Schweiz 67'780 Menschen, im Schnitt demnach 186 pro Tag. Angesichts dessen sind 80, 90 oder gar 100 Corona-T­ote täglich extrem viel.

Dass die Corona-Opfer zusätz­liche Todesfälle sind, belegt die Sterblichkeitsstatistik ebenfalls.

Traurigstes Beispiel ist die Kalenderwoche 46 vom 9. bis 15. November dieses Jahres. 2015 bis 2019 starben in dieser Woche im Schnitt 1283 Menschen. Die tiefste Zahl war 1199 (2015), die höchste 1365 (2019). Im Jahr 2020 aber gab es 1994 Tote.

Berechnung kurz erklärt: In der Schweiz werden laufend die wöchentlichen Todesfälle publiziert, unabhängig von der Todesursache. SonntagsBlick hat die Zahlen von 2015 bis 2020 ausgewertet. Für jedes Jahr wurden die Todesfälle der Kalenderwochen 1 bis 26 zusammengezählt, also von Januar bis Ende Juni. Für 2015 bis 2019 wurde dann der Durchschnittswert ermittelt – und mit den Todesfällen im Jahr 2020 verglichen.
Foto: Quelle: Bundesamt für Statistik

Die Übersterblichkeit nimmt zu

Angesichts dieser Zahlen ist klar, dass auch die ganzjährige Übersterblichkeit in der Schweiz von Woche zu Woche zunimmt.

Zwischen 2015 und 2019 wurden von Januar bis Ende November durchschnittlich 61'360 Tote regis­triert. 2020 starben im gleichen Zeitraum 65 180 Menschen – also 6,2 Prozent mehr.

Interessant: Stand Ende November lag die Übersterblichkeit in der Westschweiz (plus 13,2 Prozent) und im Tessin (plus 18,2) massiv ­höher als in der Deutschschweiz (plus 3,1 Prozent).

Auch im zweiten Halbjahr – inklu­sive der zweiten Cororna-Welle – ver­loren in der Romandie und im Tessin deutlich mehr Menschen ihr Leben als im langjährigen Durchschnitt.

Berechnung kurz erklärt: In der Schweiz werden laufend die wöchentlichen Todesfälle publiziert, unabhängig von der Todesursache. SonntagsBlick hat die Zahlen von 2015 bis 2020 ausgewertet. Für jedes Jahr wurden die Todesfälle der Kalenderwochen 27 bis 48 zusammengezählt, also von Juli bis Ende November. Für 2015 bis 2019 wurde dann der Durchschnittswert ermittelt – und mit den Todesfällen im Jahr 2020 verglichen.
Foto: Quelle: Bundesamt für Statistik

Der Graben schliesst sich

In den vergangenen Monaten ist der Corona-Graben allerdings kleiner geworden. Während in der Deutschschweiz für das erste Halbjahr 2020 gar noch eine leichte ­Untersterblichkeit festgestellt werden konnte (minus 1,3 Prozent), stieg die Übersterblichkeit für die Monate Juli bis Ende November nun auch in der Deutschschweiz. Für das zweite Halbjahr verzeichnet die Deutschschweiz mittlerweile eine Übersterblichkeit von 8,7 Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt. Tendenz steigend.

Berechnung kurz erklärt: In der Schweiz werden laufend die wöchentlichen Todesfälle publiziert, unabhängig von der Todesursache. SonntagsBlick hat die Zahlen von 2015 bis 2020 ausgewertet. Für jedes Jahr wurden die Todesfälle der Kalenderwochen 1 bis 48 zusammengezählt, also von Januar bis Ende November. Für 2015 bis 2019 wurde dann der Durchschnittswert ermittelt – und mit den Todesfällen im Jahr 2020 verglichen.
Foto: Quelle: Bundesamt für Statistik
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