In Italien vergleicht man die Operation von dieser Woche mit dem sogenannten Maxi-Prozess der 1980er-Jahre. Damals führte die Verurteilung Hunderter Angehöriger der sizilianischen Mafia dazu, dass diese ihre Vormachtstellung in der Welt des organisierten Verbrechens an die kalabrische Mafia verlor, an die ’Ndrangheta.
Diese verdient mit Kokainhandel, Erpressung und illegaler Müllentsorgung mittlerweile über 50 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Die Steuereinnahmen der Schweiz beliefen sich 2018 auf 73 Milliarden.
Nun aber hat es die ’Ndrangheta erwischt, genauer: den Mancuso-Clan aus der Provinz Vibo Valentia. In einer koordinierten Aktion mit dem Namen «Rinascita-Scott» schlugen die Polizisten in Italien, der Schweiz, Deutschland und Bulgarien zu. Verhaftet wurden die Köpfe der Gruppe ebenso wie ihre Helfer.
So sind unter den 334 Verhafteten Anwälte, Polizisten und Politiker – darunter der ehemalige Spitzenpolitiker Giancarlo Pittelli (66), der in einem Vorstoss die Anti-Mafia-Gesetze lockern wollte.
Illegales Geld in der Schweiz
SonntagsBlick liegt die Anklageschrift vor. Aus den über 1200 Seiten Abhörprotokollen geht hervor: Der Mancuso-Clan nutzte Bankkonten in der Schweiz, um ihr illegal erworbenes Geld zu deponieren. Giancarlo Pittelli spielte dabei eine wichtige Rolle.
Der Strafverteidiger, der die Region Kalabrien von 2001 bis 2013 als Senator und Abgeordneter im Parlament von Rom vertrat, kommt in einem abgehörten Gespräch zwischen zwei Mafiosi vor. Sie haben viel Lob für Pittelli: «Pittelli hat uns einen grossen Gefallen getan … Er hat das Geld in die Schweiz gebracht.»
Laut den Akten der Staatsanwaltschaft in Catanzaro waren es mehrere Millionen Euro, die auf einem Schweizer Konto lagen. Diese nutzte die Gruppe später, um in Italien in verschiedene Immobilien zu investieren. Für seine Dienste wurde Pittelli grosszügig entlöhnt.
Die jüngsten Ermittlungen zeigen: Die ’Ndrangheta nutzt die Schweiz als Operationsbasis, bewegt sich hierzulande frisch-fröhlich, knüpft Kontakte und nutzt Schweizer Banken.
Zusammenarbeit mit den Italienern
Beim Bundesamt für Polizei (Fedpol), für Ermittlungen gegen die Mafia in der Schweiz zuständig, heisst es zur Aktion Rinascita-Scott: «Das Fedpol steht in engem Kontakt mit seinen Partnerbehörden in Italien, um den Informationsaustausch sicherzustellen.» Generell habe die Bekämpfung der Mafia für das Fedpol Priorität – dabei sei Italien sein wichtigster Partner.
Erst im September musste Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle zugeben, dass man die Mafia in der Schweiz bisher unterschätzt habe. Zurzeit arbeitet das Bundesamt an einem nationalen Aktionsplan Antimafia. Zu den angestossenen Massnahmen zählt auch die Schulung von Banken und anderen Finanzdienstleistern. Diese sollen besser erkennen können, wenn die Mafia bei ihnen Geld waschen möchte.
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