Unterdessen sei bekannt, was Markwalder weitergeleitet habe, begründete Müller in der Sendung «Samstagsrundschau» von Schweizer Radio SRF seine Ansicht. Bisher hatte er lediglich auf die Unschuldsvermutung verwiesen.
Es gehe für den Geheimnisverrat nicht darum, welchen Stellenwert die weitergeleiteten Informationen hätten, erklärte er im Radio. Jede Unterlage falle unter das Kommissionsgeheimnis.
Ob Markwalder wie geplant im kommenden Winter Nationalratspräsidentin werden soll, liess der FDP-Chef offen. Das entscheide der Nationalrat und dabei habe wiederum der Entscheid des Ratsbüros einen Einfluss.
Zum zweiten in Zusammenhang mit dem Kasachstan-Lobbying stehenden Fall in seiner Partei - der Reise von Nationalrat Walter Müller (SG) in das autoritär regierte Land - sagte der Parteichef, Müller räume den Fehler selbst ein und bezahlen die Reise nun selbst. Bei der Anzeige gegen Müller gelte wie auch bei Markwalder bis zu einem Verdikt die Unschuldsvermutung.
Die beiden Fälle seien keineswegs ein «Fall FDP». Jeder Parlamentarier sei für die Informationen, die er einhole, selber verantwortlich. Dass gerade die erfahrenen Politiker Markwalder und Müller in die Kasachstan-Affäre gerieten, erstaunte den Parteipräsidenten.
Die FDP werde die beiden Fälle ohne Rücksicht auf Einzelne klären und hart zur Sache gehen, kündigte Müller an. Das Volk habe den Eindruck, im Parlament werde gemauschelt. Das müsse ausgeräumt werden. Dabei versprach Müller im Radio Transparenz.
Entsprechende Vorstösse lägen vor. Seine Partei hatte sich bisher wie andere Bürgerliche einer Reglung widersetzt. Die FDP, seit langem wieder mit Wahlerfolgen, müsse Vertrauen zurückgewinnen. Ob die Affären Folgen für die Stimmenzahlen bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst haben werden, sei weder absehbar noch messbar.
Auch der Politologe Claude Longchamp zeigte sich in einem Interview mit den Zeitungen «Aargauer Zeitung» und «Südostschweiz» vom Samstag überrascht von Markwalders «Unbedarftheit» in der Affäre. Die Berner Nationalrätin sei schliesslich selber Lobbyistin für Versicherungen und eine erfahrene Politikerin.
Lobbying sei an der Tagesordnung, stellt der Chef des Instituts gfs.bern fest. Burson-Marsteller habe aber im Falle Kasachstans speziell aggressiv lobbyiert. Das sei nur schon wegen der Orchestrierung aus dem Ausland atypisch.
Für das Lobbyieren forderte Longchamp klare Regeln. Die Schweiz tue so, als ob es Lobbying nicht gäbe. Dabei sei das Lobbying hyperaktiv geworden und in der Schweiz krass unterreglementiert.
Abhilfe schaffen könnte eine grösstmögliche Transparenz der Kommissionsarbeit. Longchamp nannte die Hearings des US-amerikanischen Kongresses als Beispiel. Dort könnten alle Interessenvertreter ihre Argumente einbringen und die Öffentlichkeit zusehen.
Der Berner Politologieprofessor Fritz Sager erklärte im Interview mit den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Der Bund», Milizparlamentarier seien auf Informationen von Lobbys angewiesen. Eine Alternative wären staatlich bezahlte Experten.
Und das sei im verfassungsmässig schlank aufgestellten Staat Schweiz nicht möglich. Das grosse Gewicht von Verbänden sei im politischen System durchaus beabsichtigt. Damit es nicht ständig zu Referenden komme, müssten die verschiedenen Gruppen sich einbringen können.
Die von Ständerat Thomas Minder (parteilos/SH) angekündigte Initiative, die alle Lobbyisten aus der Wandelhalle verbannen will, hält Sager darum für «seltsam realitätsfremd». Die Einflussnahme finde ja nicht vor den Ratssälen, sondern schon vor der Parlamentsdebatte statt.
Abhilfe sieht Sager in einem grösseren Mitarbeiterstab für die Parlamentarier und in der vollständigen Offenlegung aller Auftraggeber auf Seiten der Lobbyisten.
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