Linksblock in Bewegung
Rot-grüne Sticheleien häufen sich

Mit dem grünen Wahlsieg vor zwei Jahren haben sich die Gewichte in der Schweizer Linken verschoben. Das sorgt für Irritationen zwischen den Verbündeten.
Publiziert: 14.11.2021 um 10:12 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2021 um 12:15 Uhr
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Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen: «Nicht die Zeit für persönliche Befindlichkeiten»
Foto: keystone-sda.ch
Simon Marti

Rot und Grün, das gehört im Parlament zusammen. Kaum ein Geschäft, das SP und die Ökopartei nicht gemeinsam vorantreiben. Oder Schulter an Schulter bekämpfen.

Lang waren die Rollen dieses Tandems klar verteilt: Hier die Sozialdemokraten, Vormacht im linken Lager, doppelt vertreten im Bundesrat. Dort die Grünen, sympathische Aktivisten, stets abonniert auf die Rolle des Juniorpartners. Spätestens 2019 hat sich das grundlegend geändert: Seit ihrem Wahlsieg sieht sich die Ökopartei mit 13,2 Prozent Wähleranteil auf Augenhöhe mit der SP. Wahlen in den Kantonen, bei denen Rot verliert und Grün zulegt, bestätigen diese Sicht. Die SP, im Bund bei einem Anteil von 16,8 Prozent, beurteilt die Lage naturgemäss anders.

Diese Verschiebungen schwingen mit, wenn Parlamentarier von Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern berichten. In der Kommissionsarbeit etwa, wo sich zuletzt die Eifersüchteleien häuften. Aber auch bei den grossen Themen werden Risse im links-grünen Lager deutlich: Vor zwei Wochen strahlte Grünen-Präsident Balthasar Glättli (49, ZH) in der «SonntagsZeitung» an der Seite von Sanija Ameti (28), Co-Vorsitzende der Operation Libero. Das Duo kündigte eine gemeinsame Europa-Initiative an.

Parteispitzen wollen keinen Streit

Nicht nur SP-Europapolitiker Eric Nussbaumer (61, BL) brummte überrascht. Seit Jahren quält sich die SP in der Frage des Umgangs mit Europa. Dass sich nun auch die Grünen wie die GLP als europhile Alternative positionieren, kam bei den Sozialdemokraten ganz schlecht an. Das sei nicht abgesprochen gewesen. Die Grünen verweisen darauf, dass es die SP für sich behalten habe, als im Bundesrat das Aus für das Rahmenabkommen mit Brüssel erkennbar wurde.

Die Parteispitzen mahnen zur Ruhe: «Dieses Klein-Klein ist nicht hilfreich», meint SP-Präsident Cédric Wermuth (35, AG). «Die Präsidien beider Parteien pflegen ein vertrauensvolles Verhältnis. Da sagen wir uns auch sehr direkt die Meinung, wenn nötig.» Mehr gebe es dazu eigentlich nicht anzumerken. Nur: «Der Gegner steht rechts, daran hat sich nichts geändert.»

Auch Aline Trede (38, BE), Fraktionschefin der Grünen, warnt: «Es ist nicht die Zeit für persönliche Befindlichkeiten. Progressive Mehrheiten erreichen wir in der Schweiz nur gemeinsam.»

Mag sein. Doch spätestens die Frage einer Bundesratsbeteiligung der Grünen wird sich mit Appellen nicht lösen lassen. Bei den Grünen geht die Furcht um, die SP könnte einen Deal mit den Bürgerlichen schliessen, um ihre Sitze abzusichern. Zugleich beteuert die Ökopartei, man werde einen in der Legislatur überraschend frei werdenden SP-Sitz nicht mit einer offiziellen Kandidatur angreifen. Für die Zeit nach den Wahlen 2023 gilt diese Garantie allerdings nicht.

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