In Genf bahnt sich die nächste «Lila-Revolution» an. Nachdem im Januar die Feminisierung der Strassenschilder für kontroverse Diskussionen gesorgt hat, geht die Stadt Genf noch einen Schritt weiter: 16 Strassen, Alleen, Parks oder andere Orte sollen mit Frauennamen umgetauft werden.
«Mit diesem starken Akt will die Stadt eine Ungleichheit korrigieren, die schon zu lange besteht, nämlich die Unsichtbarkeit der Frauen im öffentlichen Raum», sagt die Genfer Stadtpräsidentin, Sandrine Salerno (48). Nur sieben Prozent der nach Personen benannten öffentlichen Orte sind Frauen gewidmet, wie «Tribune de Genève» schreibt.
«Null Sexismus in meiner Stadt»
Bekannt gegeben hat die Stadtverwaltung ihr Vorhaben anlässlich einer Präsentation am Donnerstag. Die Aktion stünde ganz im Zeichen des Mottos «Null Sexismus in meiner Stadt», wie Salerno gegenüber der Zeitung sagt.
Die Stadtpräsidentin zeigt sich zuversichtlich, was den Vorstoss anbelangt. Schon die Aktion, die Hälfte der Verkehrsschilder an Fussgängerübergängen an Frauen zu vergeben, habe bereits für beträchtliche Medienaufmerksamkeit gesorgt. «Die Feminisierung der Verkehrsschilder hat uns zirka 300 Berichte in 35 Ländern eingebracht. Sogar Russland hat sich dafür interessiert.»
Ungleichheit korrigieren
Die Stadt will die Woche der Gleichstellung nutzen, um ein Dossier bei der Kommission für die kantonale Nomenklatur (CCN) einzureichen, die mit der Prüfung von Vorschlägen für Namensänderungen beauftragt ist. Das aktuelle Bestreben der Umbenennung der 16 Strassen knüpft an das Projekt 100Elles* sowie an einen Antrag an, der vom Grossen Rat 2019 angenommen wurde. Dieser fordert die Umbenennung von 100 Genfer Strassen innerhalb von drei Jahren.
Aus den im Rahmen des Projekts 100Elles* entwickelten Biografien wurden nun 16 Namen von Frauen oder Frauengruppen ausgewählt, die nach Angaben der Stadt «den vom NCC festgelegten Kriterien entsprechen». Eine davon ist Lise Girardin, die 1968 als erste Schweizerin in den Ständerat gewählt wurde.
Ruhe vor dem Sturm?
Präsident des Genfer Staatsrats, Antonio Hodgers (44), ist begeistert von der Idee: «Der von der Stadt eingeleitete Prozess ist nicht nur ein Akt der Anerkennung, sondern auch eine Wiederherstellung der Geschichte, die Männer auf Kosten der Frauen begünstigt hat, die ebenfalls bemerkenswerte Karrieren hinter sich haben.»
Auf eine lebhafte öffentliche Debatte müssen sie sich jedoch gefasst machen, wie Hodgers zu «Tribune de Genève» sagt. Diese sei bereits teilweise entfacht worden. «Wir können Frank Martin nicht die Strasse wegnehmen», ärgert sich ein Musikliebhaber. Grund für voreilige Aufregung gibt es vorerst aber nicht. Bevor über den Erlass eines Dekrets entschieden wird, muss ohnehin die Zustimmung des NCC eingeholt werden. (dzc)