Befürworter und Gegner über den Casino-Boom im Fürstentum
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Einnahmen vs. Lebensqualität:Befürworter und Gegner über den Casino-Boom im Fürstentum

Einheimische wehren sich
Aufstand gegen Casino-Boom in Liechtenstein

Im Fürstentum Liechtenstein herrscht Goldgräberstimmung. Der Zwergstaat fährt dank der Glücksspielabgabe seit kurzem Millionengewinne ein. Wegen der liberalisierten Gesetze schiessen Casinos wie Pilze aus dem Boden – trotz Bedenken aus der Schweiz.
Publiziert: 12.08.2019 um 23:26 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2019 um 08:46 Uhr
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Kämpft in Balzers (FL) mit weiteren Klägern gegen ein Casino in seinem Quartier: Michael Konzett befürchtet einen 24-Stunden-Betrieb in der Nachbarschaft.
Foto: Marco Latzer
Marco Latzer

Sie sehen die Lebensqualität in ihrem Wohnquartier in Balzers (FL) aufs Spiel gesetzt: Anwohner wie Michael Konzett (49) sind nicht bereit, ein Spielcasino in ihrer Nachbarschaft zu akzeptieren. Auch wenn geplant wäre, dass die Spielbank noch in diesem Jahr im Obergeschoss einer Coop-Filiale eröffnet werden soll.

«Wir wollen keinen 24-Stunden-Betrieb direkt neben unseren Schlafzimmerfenstern. Wenn das Casino schliessen würde, würden schon die Lieferanten des Coops einfahren», erklärt Konzett.

In der Nähe befinden sich auch eine Kita und eine Schule. Zusammen mit seiner Mutter und zehn weiteren Klägern bekämpft Konzett nun die Sonderbaubewilligung, welche die Gemeinde Balzers erteilt hat.

Ein Casino pro 7600 Einwohner

Der Casino-Zoff im südlichsten Zipfel Liechtensteins steht sinnbildlich für eine Glücksspielpolitik ausser Rand und Band. Zwei Spielbanken sind schon in Betrieb. Zwei weitere befinden sich zurzeit im Bau, während Balzers noch warten muss.

Mit diesen fünf Casinos wäre die Spielbanken-Dichte mit einem Casino pro 7600 Einwohner höher als in Zockermekkas wie Las Vegas (USA) und Reno (USA), Macau oder Monaco. Doch es gibt gar noch Gerüchte über zwei weitere Standorte in Gamprin und Eschen.

«Momentan ist eine massive Umverteilung im regionalen Markt im Gange», erklärt Thomas Pirron (49), Casino-Direktor in Schaanwald (FL). Sein Arbeitgeber, Casinos Austria, steht auch hinter dem Projekt in Balzers.

«Wir wollen mit einem zweiten Standbein an der Schweizer Grenze unsere Gäste in diesem Gebiet bestmöglich bedienen», betont Casino-Sprecher Martin Frommelt (60).

Fette Gewinne lösen Umverteilung des Casino-Markts aus

Hauptkonkurrent Casinos Admiral, der zum Glücksspielkonzern Novomatic gehört, stampft derweil nach Ruggell nun in Schaan eine zweite Spielbank aus dem Boden.

Denn die Geschäfte in Liechtenstein laufen seit der Eröffnung der ersten beiden Spielbanken vor zwei Jahren viel besser als erwartet.

2018 sind 20 Millionen Franken an Spielbankenabgaben in die liechtensteinische Staatskasse geflossen. Und mit den neuen Zockertempeln winken noch mehr Einnahmen.

Im Schnellverfahren zu neuen Casinos

Seit 2016 das Geldspielgesetz gelockert wurde, kann jeder Betreiber, der die Bedingungen erfüllt und über das nötige Kleingeld verfügt, eigene Casinos eröffnen. 

Die Wege sind kurz. In Balzers wurde die Casino-Bewilligung binnen eines Monats erteilt. Eine spannende Rolle hat auch Ex-Wirtschaftsminister Martin Meyer (47), der in der Regierung die Legalisierung des Glücksspiels vorantrieb. Meyer ist Chef der Ingenieur-Firma ITW, die das Casino Schaanwald realisierte und der auch das Coop-Gebäude in Balzers gehört, wo das neue Casino im Obergeschoss eröffnet werden soll.

Der mysteriöse dritte Player

Ein Stück vom Kuchen abschneiden will auch die Grand Casino LI AG. Sie hat Sitz bei einer Vaduzer Treuhandfirma genommen. Als BLICK vor Ort nachfragt, weiss die Empfangsdame jedoch von nichts. 

Schliesslich erscheint ein Treuhänder, der sein Berufsgeheimnis geltend macht. Die tschechisch-österreichische Apex-Gruppe, die mutmasslich hinter der Firmengründung steckt, will sich nicht in die Karten schauen lassen. Sie wird aber mit Casinos in Schaan und Gamprin in Verbindung gebracht.

Anwohner in Balzers werden mit Millionenklage bedroht

«Die Gefahr, dass sich die Casinos gegenseitig kannibalisieren, ist da», gibt auch Sprecher Martin Frommelt zu. «Aber der Markt spielt und wird sich selbst regulieren!»

Wie gross die Einsätze sind, spüren auch Michael Konzett und seine Mitstreiter: Casinos Austria hat eine Millionenklage wegen der verzögerten Eröffnung in Balzers in Aussicht gestellt.

«Das ist äusserst fragwürdig. Schliesslich nehmen wir nur unsere Bürgerrechte wahr», sagt Michael Konzett. «Aber wir lassen uns nicht einschüchtern!»

«Für Spielsüchtige die schlimmste Gegend der Welt!»

Der Casino-Boom im Fürstentum Liechtenstein wird in der Schweiz kritisch verfolgt. «Die Erträge an den Standorten in Bad Ragaz und St. Gallen sind regelrecht eingebrochen», bilanziert Hermann Bürgi (73), Präsident der Eidgenössischen Spielbankenkommission.

Der Tätigkeitsbericht 2018 der Aufsichtsbehörde zeigt, dass die Spielbankenabgaben an den Staat um knapp 2,3 Millionen Franken zurückgegangen sind.

«Was zu denken gibt, ist, dass die Liechtensteiner die Sperren der Schweizer Spielsüchtigen nicht berücksichtigen», sagt alt Ständerat Bürgi.

Hier sei die Politik gefordert, eine Vereinbarung zu finden. Während in der Schweiz 55'000 Spieler gesperrt sind, sind es im Fürstentum bloss 1500.

Präventionsexpertin schlägt Alarm

Regine Rust (47), Leiterin der Suchtfachstelle St.Gallen, findet gar: «Das Rheintal ist für einen Spielsüchtigen die schlimmste Gegend der Welt!»

Jeder der vier Anrainer-Staaten (CH, FL, A und D) sperre seine Problemspieler individuell. «Gerade in Liechtenstein können Süchtige die Prävention umgehen, indem sie jeden Tag ein anderes Casino aufsuchen!»

Den volkswirtschaftlichen Schaden, den diese Menschen anrichten, hätten vor allem die Schweiz und Österreich zu tragen. Denn sie stellen die klare Mehrheit der Zocker im Fürstentum!

Der Casino-Boom im Fürstentum Liechtenstein wird in der Schweiz kritisch verfolgt. «Die Erträge an den Standorten in Bad Ragaz und St. Gallen sind regelrecht eingebrochen», bilanziert Hermann Bürgi (73), Präsident der Eidgenössischen Spielbankenkommission.

Der Tätigkeitsbericht 2018 der Aufsichtsbehörde zeigt, dass die Spielbankenabgaben an den Staat um knapp 2,3 Millionen Franken zurückgegangen sind.

«Was zu denken gibt, ist, dass die Liechtensteiner die Sperren der Schweizer Spielsüchtigen nicht berücksichtigen», sagt alt Ständerat Bürgi.

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300 Jahre Fürstentum Liechtenstein

2019 feiert das Fürstentum Liechtenstein sein 300-jähriges Bestehen. Deshalb wird der Staatsfeiertag am Donnerstag, 15. August, zu einem Höhepunkt des aktuellen Jubiläumsjahrs. Neu ist etwa die grosse Jubiläumsfeier auf dem Peter-Kaiser-Platz, bei der die Einwohner des Fürstentums zusammenkommen. Das traditionelle Programm mit dem Staatsakt beim Schloss Vaduz findet unverändert statt. Wie immer bildet der Höhepunkt des Staatsfeiertags das gigantische Feuerwerk um 22 Uhr. Dieses Jahr will man die Show aber zusätzlich mit weiteren Elementen kombinieren, um den Tag würdig zu feiern.

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