Letztes Foto aus der abgestürzten Ju-52
Die Handys der Toten sind die wichtigsten Zeugen

Vor dem Absturz der «Tante Ju» am Piz Segnas schoss Jacqueline M. (†58) ein Foto, machte es zu ihrem Whatsapp-Profilbild. Genau auf solche Daten hoffen die Ermittler.
Publiziert: 08.08.2018 um 03:27 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:07 Uhr
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Das letzte Bild aus der Todesmaschine. Es stammt von Jacqueline M.*. Sie änderte ihr Whatsapp-Profilbild vor dem Absturz.
Foto: Zvg
Johannes Hillig und Flavia Schlittler

Strahlend blauer Himmel, darunter ein herrliches Berg-Panorama: Über den Ausblick ist Jacqueline M.* (†58) aus Wängi TG so begeistert, dass sie ein Foto schiesst und es gleich zu ihrem Whatsapp-Profilbild macht. Familie und Freunde sollen die atemberaubende Sicht aus der legendäreren Ju-52 sehen. 

Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Beim Rückflug aus dem Tessin stürzt das Flugzeug mit 20 Personen an Bord beim Piz Segnas GL ab. Jacqueline M., ihr Ehemann Georg M.* und die restlichen Insassen haben keine Chance. 

Absturzursache bleibt ein Rätsel

Für Freunde und Familie wird das letzte Foto von Jacqueline M. so zum Andenken, für die Ermittler des Crashs eine mögliche Spur. Denn viele Informationen über den Absturz der Ju-52 gibt es nicht. Keine Blackbox, die wichtige Daten aufzeichnet. Kein Notruf per Funk. Fotos und Videos der Passagiere werden neben den Trümmerteilen zur letzten Hoffnung.

Denn wieso das Flugzeug plötzlich abstürzte, ist für Experten bisher ein Rätsel. Umso entscheidender sind die Handy-Daten der Personen an Bord, ist sich Aviatik-Experte Sepp Moser sicher. «Handy-Daten lügen nicht. Anders als Berichte von Augenzeugen, die mit Vorsicht zu geniessen sind», sagt Moser zu BLICK.

Die gesuchten Daten befinden sich auf den Speicher-Chips, gut geschützt unter einer Metallplatte im Innern der Smartphones. «Die Chancen, dass einige Chips den Absturz überstanden haben, stehen nicht schlecht», meint IT-Experte Fritz Wawrik.

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Eine Datenrekonstruktion dauert bis zu zwei Tagen

Er rekonstruiert seit 30 Jahren Daten von Festplatten und Chips. «Wenn die Smartphones beschädigt sind, müssen die Speicherchips vorsichtig herausgelötet werden. Danach werden die Rohdaten mittels eines speziellen Lesegeräts ausgewertet», sagt Wawrik zu BLICK. Konkret: Aus verschiedenen Zahlenkombinationen entstehen so wieder Dateien. Dauer für solch eine Rekonstruktion: ein bis zwei Tage.

Der Aufwand dürfte sich lohnen. Bilder und Videos, die womöglich vor dem Absturz gemacht wurden, können so gerettet werden. Auch Informationen über Luftdruck, Temperatur, Beschleunigung, Lage und Position sind möglich. Denn: Moderne Smartphones verfügen über entsprechende Sensoren. «Die Daten lassen sich unter Umständen ebenfalls noch rekonstruieren und sind unabhängig von der Aktivierung des Flugmodus», erklärt IT-Forensiker Herbert Andres.

Die Chancen, dass der mysteriöse Absturz der Ju-52 aufgeklärt wird, stehen gut. «Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle ist schon weit und hat eine Vermutung bezüglich der Unfallursache», sagt Ju-Air-Sprecher Christian Gartmann zu BLICK. Gestern Abend endeten auch die Bergungsarbeiten. Die verhängte Luftraumsperre über dem Absturzgebiet wurde aufgehoben. Nun beginnt die Detektivarbeit der Ermittler.

* Namen der Redaktion bekannt

 

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