Lawinen-Experte nervt sich über Freerider
«Sollen sie doch ihr Leben riskieren!»

Lawinenexperte Werner Munter (73) erstaunen die Todesopfer vom Wochenende nicht. «Das war voraussehbar», sagt er. «Als ich die Schnee- und Wettersituation kommen sah, wusste ich: Jetzt ist der Teufel los.»
Publiziert: 02.02.2015 um 11:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2018 um 15:58 Uhr
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«So viele Vermisste sind für jeden Rettungschef ein Horrorszenario, ein Albtraum», sagt Forti Niederer.
Foto: SOS JAKOBSHORN

Nein, er sei nicht besonders erstaunt, vielmehr zornig über die Lawinentoten vom Wochenende, sagt Werner Munter (73) aus Arolla VS. «Ich habe es kommen sehen. Das miserable Fundament und der sehr kalte Schneefall – ich wusste schon im Voraus: Jetzt ist der Teufel los.»

Der Lawinenexperte, der in seinem Buch «3x3 Lawinen» einfache Regeln aufstellte, wann und wie eine Tour durchgeführt werden kann, schüttelt bloss den Kopf. Nach andauerndem Strahlungswetter sei die Oberfläche sehr unregelmässig und 30 Zentimeter Neuschnee oder mehr bergen dann ein grosses Risiko - so wie jetzt.

Sehr kalter Schnee auf mieses Fundament - das fordert immer Tote

«Wir hatten dieselbe Situation in den vergangenen 20 Jahren vier- bis fünfmal. Und immer gab es in den Folgetagen über zehn Lawinentote. Das wiederholt sich. Ich kann nicht genug warnen.» Und er betont eindringlich, dass das derzeitige Risiko noch lange nicht vorbei sei. «Diese hochgefährliche Situation kann eine bis zwei Wochen anhalten.»

Exakt diese Wetter- und Schneesituation hat er sogar in einem Ratgeber für Bergführer detailliert beschrieben. Und rät: Dann steile Hänge unbedingt meiden.

Jeder will der Erste sein

Die goldene Regel: Sich nicht am ersten schönen Tag in den Pulverschnee stürzen. Wenn die Schneesportler nicht bereit seien, die einfachen Spielregeln einzuhalten, «dann tant pis. Sollen sie doch ihr Leben aufs Spiel setzen für eine geile Pulverschneeabfahrt.»

Ein Problem sehe er auch darin, dass jeder der Erste sein wolle. «Klar, am nächsten Tag ist alles bereits verfahren. Deshalb kann man nicht ein paar Tage warten, bis sich der Schnee setzt, sondern stürzt sich kopflos in die Hänge», sagt Werner Munter. «Die Ersten gehen klar ein erhöhtes Risiko ein.»

«Die Berge lehren die Selfie-Generation»

Er könne nur einfache Werkzeuge in die Hand geben, um diese Unglücke zu vermeiden. Immerhin glaubt er, dass Tourenfahrer meist besser vorbereitet seien als Freerider, die im Skigebiet die Pisten verlassen.

«Eine halbe Stunde nach Pistenöffnung im Skigebiet hat es bereits in jedem Hang Spuren. Ich bedaure diese Mentalität, dass man sich einfach alles nimmt, hier und jetzt», sagt Werner Munter in einem Interview mit Le Matin.

Der Neuschnee bringe viele Wintersportler aus dem Häuschen. «Der Schnee macht sie verrückt. Aber die Berge lehren diese Selfie-Generation wieder, dass ihre Wünsche nicht im Zentrum der Welt stehen. Wer die Natur und ihre Gesetze missachtet, ist entweder ignorant oder dumm.» (ct)

Vom Irrglaube, Stufe 3 sei bloss die mittlere Warnstufe

Ein Problem, weshalb es auch bei Stufe 3 «erheblich» viele Lawinentote gibt, ist der Irrglaube, es handle sich dabei ja «nur» um die mittlere von fünf Warnstufen. Fakt ist: Die Gefahr steigt exponentiell – und nicht linear.

Will heissen: Die «erhebliche» Lawinengefahr ist mindestens doppelt so hoch wie die «mässige».

«Ich will es so erklären», sagt Lawinenpapst Werner Munter. «Die fünfte Stufe ist eine Katastrophensituation und betrifft die Dörfer und Strassen. Skifahren ist dann gar nicht mehr möglich, weil man mit dem Bauch im Schnee steckenbleiben würde. Bereits eine Winterwanderung auf einem Waldweg wäre da schon höchst gefährlich.»

«Stufe 4 heisst: Bleib in der Hütte und warte ein paar Tage, bis sich die Situation beruhigt hat. Oder man darf sich auf gesicherten Pisten bewegen. Sonst läuft nichts.»

«Stufe 3 ist die höchste, bei der Tourenskifahrer noch in den Tiefschnee dürfen. Aber auch nur, wenn sie gut planen. Wer keine Erfahrung hat, soll bei erheblicher Gefahr nicht im Gelände unterwegs sein. Selbst erfahrene Bergführer dürfen bei Stufe drei nur noch in weniger steile Hänge.»

Das A und O sei ohnehin die Beurteilung der Steilheit der Hänge, predigt der Lawinenpapst. Je steiler die Abfahrt, umso grösser die Gefahr. Bereits bei mässiger Lawinengefahr (Stufe 2) steigt das Risiko in steilen Hängen ab 35 Grad in den orangen bis roten Bereich.

Spontane Schneebretter sind möglich ab 30 Grad. Das sind Hänge, in denen man beim Aufstieg mit Fellen an den Skiern bereits eine Spitzkehre machen muss.

Weniger Gefahr besteht in hügeligen Gebieten auf Schneeschuhwanderungen. Aber auch hier müsse die Lage fortlaufend beurteilt werden, warnt Werner Munter. (ct)

Ein Problem, weshalb es auch bei Stufe 3 «erheblich» viele Lawinentote gibt, ist der Irrglaube, es handle sich dabei ja «nur» um die mittlere von fünf Warnstufen. Fakt ist: Die Gefahr steigt exponentiell – und nicht linear.

Will heissen: Die «erhebliche» Lawinengefahr ist mindestens doppelt so hoch wie die «mässige».

«Ich will es so erklären», sagt Lawinenpapst Werner Munter. «Die fünfte Stufe ist eine Katastrophensituation und betrifft die Dörfer und Strassen. Skifahren ist dann gar nicht mehr möglich, weil man mit dem Bauch im Schnee steckenbleiben würde. Bereits eine Winterwanderung auf einem Waldweg wäre da schon höchst gefährlich.»

«Stufe 4 heisst: Bleib in der Hütte und warte ein paar Tage, bis sich die Situation beruhigt hat. Oder man darf sich auf gesicherten Pisten bewegen. Sonst läuft nichts.»

«Stufe 3 ist die höchste, bei der Tourenskifahrer noch in den Tiefschnee dürfen. Aber auch nur, wenn sie gut planen. Wer keine Erfahrung hat, soll bei erheblicher Gefahr nicht im Gelände unterwegs sein. Selbst erfahrene Bergführer dürfen bei Stufe drei nur noch in weniger steile Hänge.»

Das A und O sei ohnehin die Beurteilung der Steilheit der Hänge, predigt der Lawinenpapst. Je steiler die Abfahrt, umso grösser die Gefahr. Bereits bei mässiger Lawinengefahr (Stufe 2) steigt das Risiko in steilen Hängen ab 35 Grad in den orangen bis roten Bereich.

Spontane Schneebretter sind möglich ab 30 Grad. Das sind Hänge, in denen man beim Aufstieg mit Fellen an den Skiern bereits eine Spitzkehre machen muss.

Weniger Gefahr besteht in hügeligen Gebieten auf Schneeschuhwanderungen. Aber auch hier müsse die Lage fortlaufend beurteilt werden, warnt Werner Munter. (ct)

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