Lars Thomsen reist aus der Ostschweiz nach Syrien
«Ich will den IS bluten sehen!»

Lars Thomsen* (39) reist aus der Ostschweiz regelmässig ins syrische Kriegsgebiet. Dort kämpft er gegen die islamische Terrormiliz.
Publiziert: 25.04.2015 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 17:41 Uhr
Thomsen mit dem Hummer, in dem er «von überallher beschossen» wurde.
Von Roland Gamp

Lars Thomsen* (39) sitzt vor einem Zürcher Café. Sonnenbrille, unauffällige Kleidung, der Schatten der Mütze verdeckt sein Gesicht. «Ich möchte nicht erkannt werden. Die Gefahr ist gross, dass mich Anhänger des IS aufspüren und umbringen.» Der Däne will schon mehrere Kämpfer der Terrormiliz getötet haben.

Seit sechs Jahren lebt Thomsen mit seiner Familie in der Ostschweiz. Davor arbeitete der Techniker mehrere Monate in Aleppo, flickte in der syrischen Stadt Züge. «Ich habe dort gute Freunde gewonnen», erzählt er. «Einer von ihnen war Halbkurde. Vor einem Jahr nahm ihn der IS deshalb gefangen. Er wurde gefoltert und erschossen. Da beschloss ich, auf eigene Faust in den Kampf zu ziehen.»

Im Herbst flog Thomsen ins irakische Erbil. Dort kontaktierte er Freiheitskämpfer der Peschmerga. «Zwei Männer nahmen mich mit ins Hauptquartier.» Er wurde intensiv befragt. «Sie riefen sogar meine Frau an. Dass ich Techniker bin und eine dreijährige Spezialausbildung im dänischen Militär habe, hat die Widerstandskämpfer beeindruckt.»

Thomsen zieht an seiner Ziga­rette, eine syrische Marke. «Du wirst dort mit Zigaretten ausbezahlt, Lohn für die freiwilligen Fremdenlegionäre aus dem Westen gibt es kaum.» Mehrere Tausend Franken habe er schon in Waffen und Reisen für seinen persönlichen Rachefeldzug investiert.

Der Däne wurde mit 500 Kämpfern in einem Ausbildungslager an Waffen und im Häuserkampf geschult. «Unsere Stimmung war euphorisch, wir freuten uns auf die Front. Ich wollte den IS bluten sehen.» Im Winter wurde Thomsen nach Serekani an die syrisch-türkische Grenze verlegt. «Der IS hatte sich in drei Basen vor der Stadt verschanzt. Es bildete sich ein Stellungskrieg, ständig zischten Schüsse über meinen Kopf.»

Thomsen erzählt distanziert, regungslos. «Ich hatte meine Emotionen schon immer im Griff. Das half mir, im Kampf die richtigen Entscheidungen zu treffen.» Er sei nicht religiös, aber er habe buddhistische Meditationen gelernt. «Damit kann ich gut verarbeiten, was ich an der Front erlebt habe.»

Der Stellungskrieg dauerte mehrere Wochen. «Die IS-Kämpfer waren zu weit entfernt für unsere russischen Gewehre. Wir kamen praktisch nicht weiter.» Thomsen aber wollte die Schergen erledigen. Er bat um eine Versetzung. «So kam ich nach Tel Hamees im Norden Syriens. Dort war es richtig heftig.» Mit Panzerfahrzeugen und Luftangriffen der Amerikaner befreiten die Kämpfer die Stadt. «Ich war jeweils im Schützenturm eines Hummers mit meinem Maschinengewehr. Wir wurden von überallher beschossen. Der Wagen war nach der Befreiung stark beschädigt.» Thomsen zeigt Fotos der Schusslöcher am Fahrzeug.

Oft habe er in solchen Momenten an seine Familie in der Schweiz gedacht. «Aber mir war dieser Einsatz sehr wichtig. Den IS müssen wir jetzt ausmerzen, bevor er sich weiter ausbreiten kann.»

Die IS-Kämpfer flüchteten aus Tel Hamees in nahe Dörfer. «Es gab viele gefährliche Situationen. Einmal haben wir eine kleine Gruppe gejagt und mir ging die Munition aus. Aber mit Handgranaten konnte ich zwei Angreifer ausschalten.» Ein anderes Mal sei das Fahrzeug mitten auf der Strasse abgelegen. «Die IS-Kämpfer beschossen uns. Wir verschanzten uns in einem Haus und lieferten ihnen ein langes Gefecht.» Als Beweis für seine Ausführungen legt er SonntagsBlick Fotos und Videomaterial vor.

Schweizer dürfen nicht für fremde Armeen kämpfen, werden mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Dänischen Staatsbürgern ist der Kampf im Ausland laut Kriegsverbrechertribunal erlaubt, solange sie die Genfer Konventionen einhalten und keine Kriegsverbrechen begehen.

Vor wenigen Wochen trat Thomsen nach einem halben Jahr Krieg die Heimreise an. «Ich hatte Termine, musste Rechnungen bezahlen», sagt der Techniker. «Und ich wollte meine Familie wiedersehen.» Die Erlebnisse in Syrien habe er gut verarbeitet, auch den Tod vieler Kameraden. Nur, dass der IS weiterhin an Macht gewinnt, lässt Thomsen nicht ruhig schlafen. Im Mai möchte er erneut nach Syrien, steht deshalb mit kurdischen Kämpfern in Kontakt. Diesmal wolle er als Ausbildner fungieren. «Meine Frau will nicht, dass ich zurückgehe. Aber ich muss.»

* Name geändert

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