Die Initiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel» will die hohen Schweizer Lebensmittelstandards schützen und fordert Standards für Importprodukte. Damit sollen Produkte aus industrieller Massenproduktion vom Schweizer Markt fern gehalten werden.
Der Bund würde diese Anforderungen festlegen und sicherstellen, dass importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse diesen genügen. Dazu könnte er Einfuhrzölle anheben. Für stärker verarbeitete und zusammengesetzte Lebensmittel sowie für Futtermittel müsste er lediglich Ziele anstreben. Weiter sollen die Folgen von Transport und Lagerung für die Umwelt sowie die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert werden.
Ratsmehrheit sieht zwei wesentliche Nachteile
Dass die Initiative im Nationalrat einen schweren Stand hat, hatte sich bereits gezeigt, als der Rat am Dienstag mit den Beratungen begann. Dies änderte sich auch am Donnerstag nicht. Nach Ansicht der Ratsmehrheit hat die Initiative zwei wesentliche Nachteile: Sie stehe im Widerspruch zu internationalem Handelsrecht und wäre wegen der aufwendigen Kontrollen kaum praktikabel.
Es gehe um mehr als Essen, betonte Regine Sauter (FDP/ZH). Die Initiative könne Arbeitsplätze und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts gefährden. Sie gehe davon aus, dass Handel grundsätzlich unfair sei, was nicht stimme.
Sibel Arslan (Grüne/BS) entgegnete, der internationale Handel werde einzig von der Profitmaximierung diktiert. Chlorhühner und Hormonfleisch seien kaum im Interesse von Konsumenten, Umwelt und Gesellschaft.
Parteikollege Bastien Girod (ZH) ortete einen Systemfehler. Im Inland werde hohe Qualität verlangt, beim Import aber darauf verzichtet. Der neue Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit verstärke diesen Widerspruch zusätzlich. Statt gegen den Strom zu schwimmen, müsse man dessen Richtung ändern.
Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP/SG) konnte der Initiative zwar viel positives abgewinnen. Nach dem Ja zur Ernährungssicherheit sei aber eine weitere Ergänzung auf Verfassungsebene nicht angebracht.
Gespalten war die SP. Sie empfahl Stimmfreigabe. Prisca Birrer-Heimo (LU) hatte am Dienstag gewarnt, bei Annahme der Initiative steige der Druck auf die Schweiz, ihre Standards bei Produkten zu senken. Auch drohe die Gefahr höherer Lebensmittelpreise. Parteikollegin Claudia Friedl (SG) erklärte, es brauche verbindliche Standards. Es nütze nichts zu sagen «man müsste, man sollte».
Mehrere Redner kritisierten die vorberatende Kommission dafür, keinen direkten Gegenentwurf ausgearbeitet zu haben. Aus Sicht der Kommission wäre auch mit einem Gegenvorschlag ein Konflikt mit dem internationalen Handelsrecht unvermeidlich.
Einen Ausweg hatte Beat Jans (SP/BS) vorgeschlagen. Statt den Import gewisser Produkte zu unterbinden, soll die Schweiz die Einfuhr nachhaltiger Lebensmittel etwa mit tieferen Zöllen begünstigen. «Wir versuchen, eine Brücke zu bauen», argumentierte Jans.
Direkter Gegenvorschlag fand im Rat keine Zustimmung
Mit dem direkten Gegenvorschlag zeigten sich auch die Initianten und mehrere Redner zufrieden. Im Rat fand der Vorschlag jedoch keine Gnade und wurde mit 119 zu 60 Stimmen versenkt. Die Initiative lehnte der Nationalrat am Donnerstag mit 125 zu 37 Stimmen bei 23 Enthaltungen ab. Nun ist der Ständerat an der Reihe.
Gesundheitsminister Alain Berset erklärte, der Bundesrat habe Verständnis für das Anliegen. Die Initiative verletze aber internationale Verträge und könne ein aufwendiges Kontrollsystem zur Folge haben.
Die Fair-Food-Initiative ist das dritte innerhalb von knapp zwei Jahren eingereichte Volksbegehren zu Ernährung und Landwirtschaft. Sie wird unter anderem von den Grünen, der EVP und von Tierschutz- und Kleinbauernorganisationen unterstützt.
Am letzten Sonntag hatte das Stimmvolk den Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit deutlich angenommen. Dieser beauftragt den Bund, Voraussetzungen zu schaffen, um die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln sicherzustellen. Der Artikel ist der Gegenvorschlag zu einer zurückgezogenen Initiative des Bauernverbandes.
Schliesslich werden Parlament und Volk auch über die Initiative «für Ernährungssouveränität» der Bauerngewerkschaft Uniterre befinden müssen. Sie fordert, dass die einheimische bäuerliche Landwirtschaft gefördert und auf eine Versorgung mit überwiegend hiesigen Lebens- und Futtermitteln geachtet wird.