Bundesrätin Simonetta Sommaruga wies in einer Rede auf die damalige Rolle der Frauen darauf hin. In Sachen Gleichstellung habe die Schweiz immer noch jahrzehntelange Verspätung, sagte sie gemäss Redetext.
Sommaruga erinnerte daran, dass die Frauen damals wie zuvor schon gerannt seien, um die Streikenden zu verköstigen, um das Komitee zu unterstützen, sich um die Kinder zu kümmern. Gedankt habe den Frauen das niemand.
Dabei sei das Frauenstimmrecht ganz oben gewesen auf der Liste der Streikforderungen. Doch dann sei das Anliegen von der männlichen Bildfläche verschwunden, sagte sie gemäss Redetext. Es habe mehrere Generationen von Frauen gebraucht, die sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzungen und gegen das Laufgitter gewehrt hätten.
Zu Tausenden seien sie 1969 nach Bern marschiert, um zu sagen, was sie verlangten: Der Bundesrat solle die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen, aber erst wenn die Frauen das Stimmrecht erhielten.
Zwei Jahre später sei es endlich so weit gewesen: Die Schweiz werde zu dem, was man eine Demokratie nennen könne: Die weibliche Bevölkerung sei nicht länger politisch unmündig gewesen. Heute hätten die Frauen zwar das Stimm- und Wahlrecht, doch in der Realität sei die Gleichstellung noch immer nicht angekommen.
Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), sagte laut Redetext, im Rückblick gehöre der Landesstreik zu den grossen Etappen der modernen Schweiz. Der Generalstreik sei damals zum Schwungrad für den Aufbau des Sozialstaates geworden.
Nach dem Ultimatum des Bundesrats habe das Oltner Aktionskomitee die Weisheit gehabt, den Streik abzubrechen, um nach der Mobilisierung der Armee ein Blutvergiessen zu verhindern. In der Schweiz dürfe es nie mehr zu einem Einsatz der Armee gegen das eigene Volk kommen, mahnte Rechsteiner.
Was zunächst eine Niederlage gewesen sei, habe sich je länger je mehr in einen gewaltigen Erfolg gewandelt. Auf längere Sicht zählten also nicht die Niederlagen. Nach den Worten von SP-Ständerat Rechsteiner zählt "die Bereitschaft und die Kraft, für berechtigte Forderungen weiterzukämpfen".
Im Streik zeige sich am klarsten, warum sich die Arbeitnehmenden in einer Gewerkschaft zusammenschliessen und gemeinsam für ihre Interessen einstehen müssten, sagte Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia. Kollektives Handeln sei gelebte Solidarität.
"Zusammen stehen und zusammen kämpfen" seien ein wichtiges Mittel, um den berechtigten Forderungen der Arbeitnehmerschaft Nachdruck zu verleihen, sagte Alleva mit Blick auf die Protestaktionen der Bauarbeiter in den vergangenen Wochen.
"Der Streik in der Schweiz hat eine starke Gegenwart. Streiken ist aktuell, Streiken ist nötig", betonte sie. Im Zusammenhang mit der Lohngleichheit für Frauen und Männer rief die Unia-Präsidentin für 2019 zu einem neuen Frauenstreik auf.
Die Woche vom 7. bis 14. November 1918 gilt als die schwerste innenpolitische Krise seit der Gründung des Bundesstaats von 1848. Nachdem in den Städten die Armee aufmarschiert war und sie in Zürich am 9. November eine Demonstration gewaltsam auflöste, rief das Oltner Aktionskomitee für den 12. November zum Generalstreik auf.
Dem Streikaufruf folgten 250’000 Arbeitnehmende. Nach einem Ultimatum des Bundesrats an die Streikenden drohte eine Eskalation. Das Oltner Komitee beschloss den Streikabbruch. Am letzten Streiktag, dem 14. November, erschoss das Militär in Grenchen drei junge Uhrenarbeiter.
Der vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), der SP Schweiz und der Robert-Grimm-Gesellschaft organisierte Gedenkanlass fand in der Alten Hauptwerkstatt der SBB in Olten statt. Auf dem Programm standen neben Reden auch Musik- und Gesangseinlagen.