Seit 2010 haben sich in der Schweiz 138'000 Steuerpflichtige selbst angezeigt. Dadurch wurden mehr als 45 Milliarden Franken an Schwarzgeld offengelegt und die öffentliche Hand generierte Nachsteuern von mehr als 3,8 Milliarden Franken. Was sagen Sie zu diesen Zahlen?
Philipp Zünd: Die Zahlen sind für mich überraschend hoch. Zwar sind viele Selbstanzeigen von Secondos darunter, die ihr Ferienhaus und das dazugehörende Bankkonto in Portugal, Spanien oder Italien verschwiegen haben – also kleine Fische. Aber es gibt auch immer wieder grosse Fälle. 2018 waren alleine im Kanton Zürich über ein Dutzend Steuersünder dabei, die mehr als eine Million Franken Nachsteuern bezahlen mussten.
Wer ein Haus in Portugal hat, bezahlt dafür vor Ort eine Liegenschaftssteuer. Jetzt muss dieses Haus auch in der Schweiz noch versteuert werden. Ist das nicht ungerecht?
Nein. Denn wenn ich den Schweizer Steuerbehörden verschweige, dass ich in Portugal ein Haus habe, schätzt diese mein Vermögen zu gering ein und ich profitiere von einem tieferen Steuersatz. Das ist ungerecht. Das Haus in Portugal ist in der Schweiz aber nur für die Bestimmung des Steuersatzes relevant.
Die Selbstanzeigen wurden gemacht, weil die Steuerpflichtigen den Automatischen Informationsaustausch (AIA) mit dem Ausland fürchteten. Was würde passieren, wenn die Schweizer Steuerbehörden auch Kontoinformationen von Schweizer Banken erhalten würden?
Das kann abschliessend niemand sagen. Ich gehe aber davon aus, dass es dann noch einmal deutlich mehr Selbstanzeigen geben würde – und Nachsteuern für die öffentliche Hand. Ich glaube nicht, dass jene Steuerpflichtigen, die ihr Geld auf einer Schweizer Bank bunkern, ehrlicher sind als jene, die ihr Vermögen im Ausland haben. Wer sein Geld auf einer Schweizer Bank hat, verspürt einfach keinen Druck, dieses gegenüber den Schweizer Steuerbehörden offenzulegen. Ich bin überzeugt: Auf Schweizer Banken liegt nach wie vor viel Schwarzgeld – vor allem von älteren Leuten.
Wieso von älteren Leuten?
Weil man früher viel weniger sensibilisiert war für das Thema Schwarzgeld. Steuerhinterziehung galt als Kavaliersdelikt. Zudem war es einfacher, undeklariertes Vermögen anzuhäufen. Die Geldströme waren noch nicht so gut nachvollziehbar wie heute und man kam öfter mit grossen Mengen Bargeld in Berührung. Ein weiteres Problem ist, dass das Bestrafungs-Regime in der Schweiz nicht gerade förderlich ist für Selbstanzeigen im hohen Alter. Wer undeklariertes Vermögen zu Lebzeiten legalisieren will, muss Nachsteuern und Verzugszinsen für die letzten zehn Jahre bezahlen. Übernehmen aber die Erben die Schwarzgeld-Legalisierung, werden sie nur für die letzten drei Jahre belangt.
Wie gehen Schweizer Banken heute mit Schwarzgeldern um?
Da gab es sicher Fortschritte. Es gibt immer mehr Banken, die ihre Kunden bei Verdacht auf Steuerhinterziehung dazu ermutigen, reinen Tisch zu machen. Schliesslich riskiert eine Bank ihren Ruf, wenn herauskommt, dass auf ihren Konten grosse Mengen undeklarierter Vermögen liegen. Zudem haben zum Beispiel die Kantonalbanken auch null Interesse daran, bei der Steuerhinterziehung zu helfen. Sie würden dadurch ja nur ihre Eigner, die Kantone, betrügen.
Erwarten Sie in Zukunft weiterhin so viele Selbstanzeigen wie in den vergangenen Jahren?
Der ganz grosse Ansturm ist wohl vorbei. Es wird aber sicher nochmals einiges zusammenkommen. Denn mit Liechtenstein und einigen anderen Länder werden 2019 erstmals Daten ausgetauscht. Und man geht davon aus, dass in Liechtenstein relativ viel Schwarzgeld von Schweizern liegt.
Bis wann können sich Steuersünder noch straflos selbst anzeigen?
Das kommt darauf an, in welchem Land man ein undeklariertes Konto hat und in welchem Kanton man steuerpflichtig ist. Wer sein Geld in einem Land hat, das 2018 bereits AIA-Daten geliefert hat, für den ist es nun zu spät für eine Selbstanzeige. Dann sind die Steuerbehörden jetzt bereits im Besitz der entsprechenden Informationen – zumindest theoretisch. Denn für die Steuerbehörden ist es eine Herkulesaufgabe, die riesigen Datenberge zu bearbeiten. Das dauert. Es gibt deshalb Kantone wie Zürich, die einen anderen, kulanteren Weg eingeschlagen haben: Dort ist eine Selbstanzeige erst dann nicht mehr möglich, wenn der Steuerkommissär tatsächlich bereits auf das versteckte Konto gestossen ist.
Und was ist mit den undeklarierten Geldern auf Schweizer Bankkonten?
Wie gesagt: Schweizer Steuerpflichtige mit Schwarzgeld auf Schweizer Banken haben nach wie vor nichts zu befürchten. Die Daten werden nicht an die Steuerbehörden geliefert. Daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern: Die bürgerliche Mehrheit im Parlament hat Ende 2017 die Revision des Steuerstrafrechts verworfen und damit deutlich gezeigt, dass sie am Bankgeheimnis im Inland festhalten will.
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