Kokainspuren treffen auch Unschuldige
Darum sollten Sie Ihr Geld vor dem Zoll trotzdem waschen

Grenzwächter dürfen bei Verdacht auf Terror-Finanzierung oder Geldwäscherei Geld beschlagnahmen. Treffen tut es auch Unschuldige – davon profitiert die Staatskasse.
Publiziert: 01.01.2019 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2020 um 22:32 Uhr
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Grenzwächter können Bargeld bereits beim geringsten Verdacht einziehen.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY
Petar Marjanovic

Im Kampf gegen Terrorismus und Geldwäscherei lassen die Schweizer Justiz und die Eidgenössische Zollverwaltung nichts unversucht. Sie ziehen Fahrzeuge, Waffen, Drogen und Bargeld aus dem Verkehr, um Verbrechern das Handwerk zu legen. Recherchen von BLICK zeigen jedoch: Ihre Arbeit mag gut gemeint sein – sie kann aber auch unbescholtene Bürger treffen!

Denn: Die Grenzwächter dürfen Bargeld beschlagnahmen, wenn ein Verdacht auf Geldwäscherei besteht. Dafür reicht schon die geringste (Drogen-)Spur.

Die Akten der Fälle lesen sich ähnlich: Ein Bürger wird von Grenzwächtern kontrolliert. Er hat eine grössere Menge Bargeld bei sich. Der Drogen-Schnelltest zeigte: Viele Bankscheine enthalten Spuren von Kokain oder anderen Drogen. Die Grenzwächter machen kurzen Prozess: Sie ziehen das Bargeld vorläufig ein. Selbst dann, wenn man unschuldig ist.

Davon profitiert auch die Bundeskasse: Das verschmutzte Geld wird zwar von der Nationalbank vernichtet – der Betrag wird aber der Staatskasse gutgeschrieben. Zahlen dazu gibt es erst seit 2014, die haben es aber in sich: In den letzten Jahren wurden so rund acht Millionen an mutmasslichem Drogengeld «rein gewaschen» und in die Staatskasse gespült.

Kommen tut das Geld von tatsächlichen Geldwäschern, verurteilten Drogenhändlern oder gar Terror-Financiers. Opfer können aber auch Unschuldige sein.

Fast jede Banknote hat Kokainspuren

Dieses Vorgehen ist rechtsstaatlich heikel, wie angefragte Juristen sagen. Der Grund: Mehrere Institute kamen in der Vergangenheit zum Schluss, dass eine Banknote im Umlauf schnell Kokainspuren aufweisen kann.

Der Milieuanwalt Valentin Landmann (68) sagte dazu nach einem Prozess in einem ähnlichen Fall: «Wenn ich das Geld im Portemonnaie der Richter untersucht hätte, wäre sicher die eine oder andere Banknoten mit Kokain verseucht gewesen!»

Pikant an der Sache: Das Vorgehen ist legal. «Ja, der Staat darf einem unbescholtenen Bürger das Geld wegnehmen, wenn er ihn der Geldwäscherei oder Terror-Finanzierung verdächtigt», sagt der Zürcher Anwalt Amr Abdelaziz (41). Er finde das Vorgehen heikel, aber notwendig im Kampf gegen dubiose Geschäftemacher. Abdelaziz betont jedoch, dass sich Verdächtige wehren können.

«Viele Länder verzichten auf solche Tests»

Wie schwierig dies im Einzelfall sein kann, zeigt das Beispiel zweier Uhrenhändler: Die beiden wurden von einem Gericht schuldig gesprochen. Als sie mit ihrem Anwalt bis vors Bundesgericht die Herausgabe von rund 440'000 Franken forderten, kassierten sie eine Schlappe. Das Bundesgericht überprüfte nicht, ob die Uhrenhändler ihr Geld wirklich aus einer Straftat hatten. Die Lausanner Richter stellten nur fest, dass man der falsche Ort für eine Beschwerde sei. Richtig wäre ein Strafgericht – und das, obwohl gar keine Straftat begangen wurde.

Der Anwalt, der die beiden Uhrenhändler verteidigte, kritisiert: «Es ist äusserst bedenklich, was meine Mandanten hier erlebt haben.» Seinen Namen wollte er nicht in der Zeitung haben.

Bundeskasse kassiert Millionen

Die Eidgenössische Zollverwaltung verteidigt auf Anfrage ihre Arbeit: «Die Aussage, dass auf so ziemlich jeder Banknote Drogenspuren entdeckt werden können, widerspricht den langjährigen Tests des Grenzwachtkorps.» Banknoten, insbesondere der Schweizer Franken, der Euro oder das britische Pfund seien «in der Regel nicht mit Betäubungsmitteln kontaminiert». Wie diese Tests durchgeführt werden, wollte man jedoch «aus einsatztaktischen Gründen» nicht sagen.

Die Zollverwaltung bestätigt dafür, dass man kontaminierte Banknoten von strafrechtlich unschuldigen Personen einziehen könne und den Betrag gar der Staatskasse gutschreiben dürfe. «Sofern die zuständige Behörde – etwa der Kanton – einen Verdachtsfall nicht übernimmt und die Angelegenheit so zu einer Zollangelegenheit wird, ist dies möglich», heisst es von der Medienstelle. Dies bedeutet: Eine verdächtige Person wird auf freien Fuss gesetzt, verliert aber das Geld. Gestützt werde diese Praxis auch durch das Bundesgericht.

* Namen der Redaktion bekannt

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