Kims Tante aus Berner Tagen packt aus
«Er war schon als Kind reizbar und intolerant»

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un soll in Bern aufgewachsen sein. Jetzt gibt seine Ersatzmutter aus der Zeit neue Details aus seiner Kindheit Preis.
Publiziert: 28.05.2016 um 07:59 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:42 Uhr
«Es war unmöglich, wie ein normaler Mensch aufzuwachsen», sagt die Tante über Kim Jong Un.
Foto: Rodong Sinmun

Eine angebliche Tante von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un, die unter falschem Namen in den USA leben soll, hat sich der «Washington Post» offenbart. Sie gab sich in Bern nach eigenen Angaben einst als Kim Jong Uns Mutter aus, als dieser dort die Schule besuchte.

Die Frau soll mit richtigem Namen Ko Yong Suk heissen und die Schwester von Ko Yong Hui sein, die wiederum die verstorbene Frau des ehemaligen nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il war und Mutter des heutigen Machthabers Kim Jong Un. Dieser sei so alt wie ihr eigener Sohn, und sie habe ihm als Kleinkind die Windeln gewechselt, sagte die Frau.

Die «Washington Post» veröffentlichte am Freitag ein ausführliches Porträt über die Frau und ihren Ehemann, die heute in New York eine Wäscherei führen. Vor 18 Jahren setzten sie sich demnach von der Schweiz in die USA ab.

Hungerstreik gegen Spiel-Verbot

Dass Kim Jong Un einst in der Region Bern zur Schule gegangen sein soll, darüber wird aufgrund von Recherchen mehrerer Medien seit Jahren spekuliert. Bestätigt wurde der Aufenthalt nie, widerlegt auch nicht. Die Aussagen der angeblichen Tante befeuern die Spekulationen nun weiter.

Nach ihren Angaben soll Kim Jong Un 1996 als 12-Jähriger nach Bern gekommen sein, dessen älterer Bruder soll seit 1992 mit der Tante in Bern gelebt haben. «Wir haben in einem normalen Haus gelebt. Ich war wie ihre Mutter«, sagte sie. Mit einem Diplomatenpass ausgestattet sei der Ehemann häufig zwischen Pjöngjang und Bern gereist.

Sie habe die beiden Diktatorensöhne aufgefordert, Freunde nach Hause zu bringen, weil sie wollte, dass sie ein normales Leben führen, sagte sie weiter. «Ich habe Snacks für die Kinder gemacht. Sie assen Kuchen und spielten mit Legos.» Sie berichtet zudem vom Skifahren in den Schweizer Alpen und Reisen zum Disneyland in Paris und an die französische Riviera.

Mit dem Basketball im Bett

Der junge Kim Jong Un habe sich für Maschinen, Flugzeuge sowie Basketball interessiert. Er habe den Ball sogar zum Schlafen mit ins Bett genommen, sagte die 60-Jährige. Kim war kleiner als seine Freunde, und seine Mutter erzählte ihm, er würde grösser werden, wenn er Basketball spiele. Die Liebe zum Sport bleibt ihm auch als Machthaber erhalten: So hat er beispielsweise die Basketball-Legende Dennis Rodman mehrmals nach Nordkorea eingeladen.

Seit seinem achten Geburtstag soll Kim gewusst haben, dass er als Kim Jong Ils Nachfolger vorgesehen sei und einst «Nordkorea erben» werde. Seit da hätten sich hochrangige Offiziere des Militärs bei jeder Gelgenheit vor ihm verbeugt. «Es war unmöglich für ihn, wie ein normaler Mensch aufzuwachsen, wenn ihn die Leute um ihn herum so behandelt haben», sagt die Tante.

Kim habe schon in seiner Kindheit Persönlichkeitsmerkmale gezeigt, die sich später noch ausgeprägt hätten, so die Tante. «Er war kein Unruhestifter, aber er war reizbar und intolerant». Wenn sie ihm sagte, er spiele zu viel und lerne nicht genug, hätte er in der Regel nichts gesagt, seinen Protest aber sonst zum Ausdruck gebracht – mit einem Hungerstreik zum Beispiel.

Zum Überlaufen entschied sich das Paar nach eigener Darstellung, als die Schwester der Frau an Brustkrebs erkrankte und die beiden deshalb um ihre privilegierte Stellung in der Herrscherfamilie fürchteten. 1998 sollen sie mit ihren eigenen drei Kindern in die US-Botschaft in Bern gefahren sein und dort um Asyl ersucht haben.

Informationsquelle für US-Geheimdienste

Für die US-Geheimdienste, die über wenig Informationen über das isolierte Land verfügten, sollen sie eine willkommene Informationsquelle gewesen sein. «Die amerikanische Regierung hatte keine Ahnung, wer Kim Jong Un war und dass er der neue Führer werden soll», sagte der Ehemann, der mit richtigem Namen Ri Gang heissen soll.

Das Paar verneint aber, dass es von Geheimnissen über Nordkoreas Militär oder das Nuklearprogramm gewusst habe. «Wir haben auf die Kinder aufgepasst und ihnen beim Lernen geholfen«, sagte Ri. Dennoch sollen sie 200'000 Dollar erhalten haben, mit denen sie sich unter anderem ein Haus gekauft hätten.

Die Zeitung bezeichnet die Schilderung des Ehepaars als teilweise verifiziert, teilweise nicht. Einige Schilderungen seien vage. Vor allem der Ehemann hüte sich davor, schlecht über das Regime zu sprechen, weil er sich um eine Rückkehr in die alte Heimat bemühe. Er sieht sich gar als idealer Vermittler. «Ich verstehe die USA, und ich verstehe Nordkorea», sagte er.

Als weiteren Grund dafür, plötzlich seine Vergangenheit offenzulegen, gibt das Paar an, es wolle wenig schmeichelhaften Versionen ihres Überlaufens entgegentreten. Im vergangenen Jahr wehrten sie sich demnach mit einem Anwalt gegen Aussagen anderer Überläufern, sie seien mit mehreren Millionen Dollar des Kim-Regimes geflüchtet. Die Klage scheiterte wegen einer Formalität.

2013 hatte die südkoreanische Zeitung «JongAng» von der Flucht Tante Ko Yong Suk im Jahr 1998 aus Bern in die USA berichtet. Die Zeitung berief sich auf einen ranghohen Ex-Geheimdienstmitarbeiter und einen südkoreanischen Diplomaten, die damals in Bern stationiert waren. Damals hiess es auch bereits, sie lebe unter falscher Identität in den USA. Zudem soll sie ihr Aussehen chirurgisch verändert haben. (rey/sda)

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