Kilian Volken zum Drama am Mont Maudit
«Von überall her hörte ich verzweifelte Schreie»

Eine Woche nach dem Drama am Mont Blanc sind bei dem Schweizer Bergführer Kilian Volken die Erinnerungen zurückgekehrt. Er erzählt vom Kampf im Schnee und dem Kampf mit dem Gewissen.
Publiziert: 20.07.2012 um 14:34 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:54 Uhr
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Kilian Volken (61) überlebte die Lawine.
Foto: www.kiian-volken.ch

Das Lawinen-Drama am Mont Blanc in der letzten Woche war eines der schlimmsten der vergangenen Jahre. Neun Bergsteiger wurden von den Schneemassen in den Tod gerissen. Darunter auch die zwei Gäste des Fiescher Bergführers Kilian Volken (61). Er selbst hatte grosses Glück und überlebte das Drama. Im Spital in Visp kuriert er seine schweren Verletzungen. Darunter Frakturen an zwei Brustwirbeln, sechs gebrochene Rippen und zwei Lungenrisse.

Doch das ist nicht das Schlimmste. «An meinem Körper ging einiges kaputt. Es wird seine Zeit brauchen, bis alles verheilt ist», sagt er dem «Walliser Bote». Doch die mentale Verarbeitung des Ereignisses werde noch länger dauern. Die Situation belastet ihn sehr. «Als Bergführer ist man zuständig für die Sicherheit seiner Seilschaft. Nun sind Pia und Hans tot und ich lebe. Dafür gibt es letztlich keine Logik», sagt Volken.

«Da war für mich klar: Das wars.»

Ein Telefonat mit den Angehörigen seiner Gäste habe ihm sehr geholfen. Er habe ihnen erklärt, dass er nichts tun konnte. Volken kämpfte selber in den Schneemassen um sein Leben. Sein Glück: Er hatte den Kopf oben halten und atmen können. «Der Schnee war so festgepresst, dass ich nicht mal meine Tränen wegwischen konnte», sagt er. Der einzige Gedanke, der ihm heute hilft: «Dass meine Gäste nicht lange leiden mussten. In diesem hart gespressten Schnee gab es keine Überlebenschance.»

Unmittelbar nach dem Unglück konnte er sich nicht erinnern, was passiert war. Mittlerweile sind die Erinnerungen zurückgekehrt. Urplötzlich seien riesig grosse Flächen der obersten, harten Schneeschicht auf sie zu gekommen. «Wir rutschten weg. Von überall her hörte ich verzweifelte Schreie. Die ersten Bergsteiger stürzten, die Lichtkegel der Stirnlampen zielten in alle Richtungen», erinnert sich Volken. Sie seien über einen Eisabbruch gestürzt. «Mein Leben ging im Zeitraffer durch den Kopf. Beim Aufprall spürte ich plötzlich grosse Schmerzen. Da war für mich klar: Das wars. Jetzt ist es vorbei…»

Hat ihm sein Rucksack das Leben gerettet?

Der 61-Jährige war unter den ersten zehn Bergsteigern, die vorausgingen. Er hat als einziger von ihnen überlebt. Er weiss nicht, wem er danken soll. «Vielleicht war es der Rucksack, den ich an Hüft- und Brustschnalle satt festgezurrt hatte und der auf meinem Rücken zusammen mit der Daunenjacke wie ein Airbag wirkte», sagt er.

Volken hat noch viele offene Fragen. Sobald er wieder gesund ist, will er nach den Antworten suchen. Er will nach Chamonix fahren und sich bei den Bergrettern bedanken, mit ihnen zusammen nochmal zur Cosmique-Hütte und womöglich sogar bis zur Unfallstelle hochsteigen. Auch mit den Angehörigen seiner Gäste will er sich treffen. «Es liegt mir sehr daran, den Hinterbliebenen jedwelche Erklärung zu liefern, die möglich ist», sagt Volken. (gtq)

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