Keine Anklage
Gibt die Schweiz bald Mubarak-Gelder frei?

Die Bundesanwaltschaft lässt im Strafverfahren gegen den Clan des ägyptischen Mubarak-Regimes den Vorwurf der organisierten Kriminalität fallen. Somit könnte ein Teil der in der Schweiz blockierten Gelder des ehemaligen Machthabers Husni Mubarak freigegeben werden.
Publiziert: 22.06.2015 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:12 Uhr

Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit Frühling 2011 gegen den Mubarak-Clan wegen des Verdachts der Beteiligung oder Unterstützung an einer kriminellen Organisation, aber auch wegen mutmasslicher Geldwäscherei. Insgesamt sind rund 620 Millionen aus dem Umfeld des Mubarak-Clans in der Schweiz blockiert.

Nun geht das Ringen um die blockierten Gelder in eine neue Runde. In diesen Tagen erliess die Bundesanwaltschaft eine partielle Einstellungsverfügung «bezüglich der Widerhandlung betreffend kriminelle Organisation», wie André Marty, Sprecher der Bundesanwaltschaft, am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Er bestätigte einen Bericht von NZZ Online.

«Wir werden das Verfahren in diesem Punkt für alle 13 Beschuldigten einstellen», sagte Marty. Das Verfahren wegen Geldwäscherei werde gegen jeden Beschuldigten weitergeführt, der zur Entourage des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mubarak gehörte.

Die Vermögenssperre der bisher beschlagnahmten Beträge wird zum jetzigen Zeitpunkt aufrechterhalten, sagte Marty weiter. Dennoch hat die teilweise Einstellung des Verfahrens direkte Folgen für die eingefrorenen Gelder von Drittpersonen. Sie müssen gemäss Bundesanwaltschaft freigegeben werden, wenn der Vorwurf der kriminellen Organisation wegfällt.

Die partielle Einstellungsverfügung sei sämtlichen Parteien des schweizerischen Strafverfahrens mitgeteilt worden, sagte Marty. Diese kann beim Bundesstrafgericht angefochten werden. Beschwerdeberechtigt ist auch der ägyptische Staat, der im Verfahren als Privatkläger zugelassen wurde. «Die Bundesanwaltschaft steht in engem Kontakt mit der ägyptischen Staatsanwaltschaft.»

Die Einstellung des Strafverfahrens wegen des Verdachts der Beteiligung oder Unterstützung an einer kriminellen Organisation ist für die Bundesanwaltschaft und Bundesanwalt Michael Lauber ein Rückschlag. Weder die eigenen Ermittlungen noch die auf dem Rechtshilfeweg erhaltenen Informationen aus Ägypten hätten den Anfangsverdacht erhärten können, dass es sich beim Umfeld Mubaraks um eine solche Organisation gehandelt habe, sagte Marty.

Eine Fortsetzung des Verfahrens wegen organisierter Kriminalität lasse sich deshalb nicht rechtfertigen. Die Bundesanwaltschaft verwies auf die Rechtsgrundsätze der Verhältnismässigkeit und des Beschleunigungsgebots.

Ganz besonders gelte dies für die Drittpersonen, deren Vermögen beschlagnahmt wurden. «Wir sind uns bewusst, dass dieser Schritt Diskussionen auslösen wird», sagte Marty. Ein anderes Vorgehen wäre mit dem hiesigen Strafprozessrecht aber nicht vereinbar.

Bereits Anfang 2015 hatte Lauber in einem Interview mit der NZZ am Sonntag erklärt, dass die Anforderungen für eine Verurteilung wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation in der Schweiz sehr hoch seien. Es brauche den Nachweis, dass jemand die Organisation in ihrer kriminellen Aktivität konkret unterstützt habe - beispielsweise indem jemand als Anwalt, Treuhänder oder Berater tätig war.

Schon im Herbst 2012 hatte der Bundesanwalt daher einen Grundsatzentscheid gefällt, wonach nur noch bei Hinweisen auf solche Tätigkeiten ein Verfahren eröffnet werde. «In allen anderen Fällen eröffnen wir keine eigenen Verfahren mehr oder stellen laufende Verfahren ein. Wir machen keine Abenteuer mehr.»

Inwiefern die Haltung der Bundesanwaltschaft Folgen für laufende Verfahren hat, war bislang unklar. Beim Mubarak-Verfahren sprach Lauber im Januar von einer «umfassenden Neubeurteilung».

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