Wenn die Ausnahme die Regel ist, stimmt etwas nicht. Bei der Universität Bern ist das so: Drei Viertel ihres Auftragsvolumens für private Firmen vergibt die Hochschule freihändig, mittels Ausnahmegesuchen. Eigentlich müsste sie alle diese Aufträge öffentlich ausschreiben – in den vergangenen zehn Jahren hatten sie einen Umfang von 52 Millionen Franken!
Immer wenn der Staat Aufträge an Private erteilt, besteht die Gefahr von Korruption. Beamte könnten sie als Freundschaftsdienst vergeben oder gegen Bestechung. Das Resultat: Verschwendung von Steuergeld. Denn Firmen, die einen Auftrag günstiger oder schneller erfüllen könnten, werden dann gar nicht erst angefragt.
Wettbewerb soll Missbrauch verhindern
Damit das möglichst nicht vorkommt, ist gesetzlich festgelegt, dass staatliche Aufträge ab einem bestimmten Volumen öffentlich ausgeschrieben werden und sich alle Interessierten um das Geschäft bemühen dürfen. Im Wettbewerb sollte dann jenes Unternehmen den Zuschlag erhalten, das die beste Qualität zum besten Preis bietet.
Die Regel präzisiert, dass dies bei allen öffentlichen Aufträgen im Geldwert von mehr als 230'000 Franken geschieht. Bei Bauwerken beträgt der Schwellenwert 8,7 Millionen Franken, bestimmte öffentliche Auftraggeber sind erst ab einem Volumen von 700'000 Franken zur Ausschreibung verpflichtet. Ausnahmen müssen inhaltlich begründet werden.
So weit, so gut. Allerdings wird noch immer jeder sechste staatliche Auftrag freihändig vergeben. Und bei einzelnen öffentlichen Institutionen ist die Ausnahme gar die Regel.
Nuklearsicherheitsinspektorat und Bakom agieren äusserst freihändig
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat und das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zum Beispiel haben 94 Prozent ihres Auftragsvolumens freihändig vergeben. Dabei geht es um 415 Millionen Franken in zehn Jahren, was die betreffenden Dienststellen zu den gröbsten Ausnahmebewilligungsbehörden macht.
Auf Platz drei folgt dann bereits die Uni Bern. Das ist besonders stossend, weil alle anderen Universitäten deutlich weniger Gebrauch von Ausnahmeregeln machen. Das zweithöchste Volumen aller freihändig vergebenen Aufträge verzeichnet mit 29 Prozent die Uni Genf. An der Uni Zürich waren es 27 Prozent, in Basel zwölf Prozent, in Lausanne fünf Prozent. Die Universitäten St. Gallen, Neuenburg, Luzern und Freiburg schafften es sogar ohne eine einzige Ausnahme.
Uni Bern hat keine Erklärung
Mit den Daten konfrontiert, weist die Uni Bern darauf hin, dass Ausnahmen von der Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung beantragt werden dürfen, sofern nur ein einziger Anbieter infrage kommt.
Das erklärt allerdings keineswegs die grossen Unterschiede zu den anderen Universitäten. Dazu der Mediensprecher der Uni Bern: «Wir haben für die in dieser Statistik aufscheinenden Unterschiede keine Erklärung und können sie auch nicht kommentieren. Wir werden die zugrunde liegenden Daten näher analysieren.»
Ironie der Geschichte: Die Statistik über die Vergabe öffentlicher Aufträge wurde ausgerechnet von einem Team der Uni Bern erstellt. Dort, am Institut für Wirtschaftsinformatik, ist Matthias Stürmer (39) Leiter des Projekts. Er bezeichnet es als erschreckend, dass immer noch derart viele Aufträge freihändig vergeben werden.