Niemand wusste, wie stark das Coronavirus die Schweiz treffen würde – die Spitäler machten sich auf das Schlimmste gefasst. Um Platz für möglichst viele Infizierte zu schaffen, wurden einige Aktivitäten der Spitäler eingestellt. So auch die Organ-transplantationen. Für Betroffene, die dringend ein Spenderorgan benötigen, mit tragischen Folgen.
«Ich warte schon seit drei Jahren auf eine Niere», sagt der Tessiner Paolo Lazzeri (49) zu BLICK. Er befürchtet, dass sich die Wartezeit für eine Niere wegen Corona nun noch mehr in die Länge zieht. Laut Warteliste hätte Lazzeri bereits im Januar eine Niere erhalten sollen. Er weiss: «Mit der Blutgruppe B positiv, die die zweitseltenste ist, kommt man in der Liste nur langsam nach vorne. Wegen Corona wohl noch schleppender.»
Bei Lebern und Nieren herrscht Notstand
Diesen Verdacht bestätigt Franz Immer (52), Direktor von Swisstransplant, auf Anfrage von BLICK. Für Leber- und Nierenspenden sei die Lage zurzeit am schlimmsten: «Die Corona-Pandemie sorgte bei diesen Transplantationen für einen Einbruch von 30 Prozent.» Und: «Aktuell warten über 1000 Patienten auf eine Niere.»
Als sich Lazzeri letztes Mal nach seinem Listenplatz erkundigt hatte, sei er unter den ersten 30 gewesen: «Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder ein normales Leben zu führen», so der Patient aus Dino TI.
Seit seiner Diagnose sei nichts mehr wie zuvor: Der Ex-Helikopter-Pilot kann weder richtig arbeiten noch Sport treiben. Ein Schlag ins Gesicht für den einstigen Triathleten. Die freie Zeit, die man durch die Krankheit habe, könne man nicht nutzen. Dreimal wöchentlich muss er vier Stunden an die Dialyse. «Danach bin ich immer völlig ausgelaugt und kann nichts mehr machen», so Lazzeri. Er merke oft, dass er an einer schweren Nierendysfunktion leide: «Meine Nieren sind tot. Die funktionieren gar nicht mehr.»
Das bange Warten auf das passende Organ
Aufgrund der starken Ausprägung der Nierendysfunktion kann der Tessiner fast keine Flüssigkeit zu sich nehmen: «Ich kann nicht mehr urinieren.» Nur schon das Trinken von zu viel Wasser könne dazu führen, dass er im Notfall lande.
Ein unschönes Szenario, das ihm schon zwei Mal widerfahren ist. «All die Flüssigkeit verteilt sich in meinem Körper. Das kann dazu führen, dass mein Herz nicht mehr richtig pumpt.»
Doch nicht nur Nieren sind knapp, auch gesunde Lebern sind gefragt. Franz Immer dazu: «Patienten mit einer Nierendysfunktion können ‹immerhin› an die Dialyse. Ein Leben ohne funktionierende Leber kann dagegen schnell tödlich enden.» Er betont: «Die Todesfälle von Patienten, die eine Leber benötigten, sind während der Corona-Krise angestiegen.» Alleine im April seien sieben Menschen auf der Warteliste gestorben – darunter vier Leberpatienten.
Seit Anfang Woche sind alle Entnahmespitäler wieder aktiv
Immerhin: Nachdem die Organentnahme in der Romandie und im Tessin für mehrere Wochen eingestellt wurde, sind alle Entnahmespitäler seit Dienstag wieder aktiv. «Wir hoffen, dass wir den Einbruch wieder aufholen können», sagt Immer, der als Facharzt in Herzchirurgie praktiziert.
Der Swisstransplant-Direktor ist überzeugt, dass die Schweiz in der ersten Welle mit einem blauen Auge davongekommen ist: «Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir das gut gemeistert.»
Durch Krise aber auch Zugriff auf Organe im Ausland
Und: Bereits am 5. März konnte Swisstransplant die Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnerorganisationen weiter intensivieren und so in den letzten Wochen sogar Organe importieren, die im Land des Spenders keinen Empfänger fanden. Meist auch aus Gründen der Corona-Pandemie. Immer zufrieden: «Bei den Lungen- und Herztransplantationen verzeichnete die Schweiz in den letzten Wochen sogar einen kleinen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.»