Karl J. erschoss seinen Bruder mit der Schrotflinte. Trotzdem sagt er vor Gericht:
«Ernst ist gar nicht tot»

Gestern wurde Karl J., dem «Bruder-Mörder» aus Büsserach SO, der Prozess gemacht: Was ist an den Kindesmissbrauch-Vorwürfen an den Verstorbenen dran? Und wie schizophren ist der Täter tatsächlich?
Publiziert: 02.07.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:25 Uhr
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Täter Karl (48) vor Gericht: «Ich wollte mich nur verteidigen. Es war Notwehr.»
Von Ralph Donghi

Mit Rossschwanz, kariertem Hemd, Jeans und einem Grinsen steigt er aus dem Gefangenenwagen. Dabei hat er gar nichts zu lachen. Karl J.* (50) ist der vorsätzlichen Tötung angeklagt. Vor gut zwei Jahren erschoss er in Büsserach SO seinen Bruder Ernst J.* († 55) mit einer Schrotflinte (BLICK berichtete).

Gestern wurde Karl J. vor dem Richteramt Dorneck-Thierstein in Dornach SO der Prozess gemacht. «Es tut mir leid, dass ich mich wehren musste», antwortet er auf dem Weg zum Gericht auf eine Frage von BLICK. Reue tönt anders. Das wurde nach Prozessstart um 8.30 Uhr auch vor Gericht deutlich.

Zuerst aber sprach der älteste der Brüder, Andreas J.* (61). Er ging an jenem verhängnisvollen Abend des 13. August 2013 mit Ernst zum Elternhaus. Dort wohnte der ledige Gelegenheitsarbeiter Karl J. seit dem Tod der Mutter allein. Er ist verschuldet und zahlt den Hypozins nicht mehr. «Wir wollten mit Karli darüber reden», sagt Andreas J. Auch der Verkauf des Hauses stand zur Debatte. «Das vertrug er nicht.» Acht Minuten habe das Gespräch gedauert, sagt Andreas J. «Dann packte Karli auf einmal die Flinte.»

Laut Anklageschrift hatte er sie vorbereitet, weil sich die Brüder für den Besuch angekündigt hatten, er sie aber nicht sehen wollte.

Das Gewehr ist geladen. Karl J. fordert seine Brüder auf, das Areal zu verlassen. Als sie gehen, schreit er Ernst an: «Verschwinde endlich, du Kinderficker!» Dann schiesst er ihm aus vier Meter Entfernung in den Bauch. Der zweite Schuss klemmt. Ernst J. stirbt qualvoll.

Andreas J., wird verschont: «Ich bin froh, hat er nicht auch auf mich geschossen.»

Der Angeklagte schüttelt vor Gericht nur den Kopf. Er sagt, er habe den Zins einbezahlt – «wenn nur die Belege noch da wären». Ernst sei «sehr aggressiv» auf ihn zugegangen. «Ich wollte mich nur verteidigen», sagt Karl J., er habe aus einem Reflex gehandelt. In Notwehr.

Der Gerichtspräsident hakt nach: Er habe ausgesagt, dass «Ernst es verdient hat, weil er Kinder missbraucht»? Jetzt zeigt Karl J. ein anderes Gesicht, behauptet, er – und andere – seien als Kind von Ernst missbraucht worden.

Dann sagt er in die verdutzte Runde: «Ernst ist gar nicht tot.» Man sehe auf den Leichenfotos nie sein Gesicht. Er sei noch irgendwo. Ernst habe ihn immer verfolgt und vergiften wollen. Sowieso: Ernst sei an allem schuld. «Bei Wahnthematik wird es wirr», sagt die Staatsanwältin. Es gäbe keine Anhaltspunkte für Kindesmissbrauch. Der Angeklagte sei aber «komplett schuldunfähig». Er leidet laut Gutachten unter paranoider Schizophrenie und müsste in eine stationäre Massnahme.

Karl J. verweigert jede Hilfe.  Das Urteil folgt am Montag.

* Name der Redaktion bekannt

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