Jürgen Netzer (38) kommt im Nadelstreifenanzug vor das Landesgericht Feldkirch (A). Der Vorarlberger hat einen grossen Gegner: Er klagt gegen das Casino St. Gallen. «Es ist wie David gegen Goliath, der kleine Zocker gegen die riesige Glücksspiel-Industrie», sagte der arbeitslose Versicherungsmakler gestern vor den Richtern. 1,6 Millionen Euro Schadenersatz fordert er vom Ostschweizer Casino.
Dabei fing alles so gut an: Jürgen Netzer gewinnt 2005 den Automaten-Jackpot, kassiert 3,5 Millionen Franken. Doch wie gewonnen so zerronnen. Netzer verzockt in St. Gallen gleich vier Millionen, häuft bis 2011 eine halbe Million Schulden an.
«Das Casino hat seine Sorgfaltspflicht klar verletzt», so Netzer. Wegen seiner akuten Spielsucht hätten ihn die Betreiber daran hindern sollen, Geld zu verprassen. «Sie hätten mich sperren müssen. Stattdessen lockten sie mich als Millionär weiter an.»
Landgericht fällte noch keinen Entscheid
Man habe ihm einen Parkplatz offeriert, einen privaten Spieltisch freigehalten, die Begleitung mit Gratis-Champagner verwöhnt. «Das Casino hat genau gewusst, dass mich das Spielen ruiniert.»
Ist er nicht selbst schuld? Er hätte sich für das Casino sperren lassen können. «Spielsüchtigen fehlt die Vernunft. Du willst zocken, der Rest ist egal.» Nur seine Frau und die drei Kinder sind dem Ex-Millionär geblieben. Vermögen, Haus und Job – alles weg!
«Klar geht es mir ums Geld. Aber wenn ich gewinne, dürften auch andere Casinos kranke Kunden nicht mehr ausnehmen.»
Das Landgericht fällte gestern noch keinen Entscheid. Es will klären, ob der Prozess in Österreich oder doch in der Schweiz geführt werden soll. Netzer hat die Spielsucht therapiert, will nie mehr ins Casino: «Nicht mal für Champagner und Gratisparkplatz.»