Hakenkreuze und «Juden Pack» – eingeritzt in die Tür der Bieler Synagoge. Vorfälle wie jener Anfang 2021 wiederholten sich im Laufe des Jahres immer wieder. Und das mehr als je zuvor. Das geht aus dem neusten Antisemitismus-Bericht vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) sowie der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) hervor. Dieser zeigt: Der Hass auf jüdische Menschen nimmt zu. Und schlägt sich in Taten nieder.
Corona triggerte den Hass
Konkret listet der Bericht 806 gravierende antisemitische Vorfälle auf, die allein online geschahen – das ist eine Steigerung von 66 Prozent zum Vorjahr. Treiber davon war Telegram. Auf der Messenger-App, die in Corona-kritischen Kreisen gehypt wird, registrierte man am meisten antisemitische Parolen und Verschwörungstheorien. Doch auch im realen Leben gab es Übergriffe. 53 Vorfälle wie antisemitische Beschimpfungen, Zuschriften oder Schmierereien mussten jüdische Menschen über sich ergehen lassen – sechs mehr als im Vorjahr.
Auslöser dieser neuen Dimension an Hass ist die Pandemie. SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner sagt zu Blick: «Wir sind sehr besorgt.» Die Corona-Krise habe zu einem Dammbruch geführt, die Grenzen des Sagbaren seien nachhaltig verschoben worden. Er warnt: «Die Verschwörungstheorien werden nicht verschwinden, nur weil die Pandemie langsam endet.» Sie könnten Allgemeingut werden.
SIG: Politik stehe in der Pflicht
Kreutner fordert: «Der Staat muss sich mehr engagieren.» Konkret heisst das: mehr Investitionen in Bildungsmassnahmen gegen Verschwörungstheorien, mehr staatliche Unterstützung für Präventionsprojekte wie Likrat und für das Monitoring von Antisemitismus und Rassismus sowie die Prüfung der rechtlichen Mittel zur Erfassung von Hassrede.
Enttäuscht ist der SIG von einem Entscheid des Bundesrats. Dieser lehnte es kürzlich ab, Nazi-Symbole, die eine Person zur Schau stellen, zu verbieten – weil es als Bekenntnis gilt, das von der Meinungsfreiheit geschützt ist. So ist es weiterhin erlaubt, eine Armbinde mit einem Hakenkreuz zu tragen. Weiter gehen nun die Gerichte. Gerade hat die Militärjustiz zwei ehemalige Rekruten wegen Rassendiskriminierung verurteilt, wie CH Media gestern berichtete. Sie verbreiteten Hitler-Memes in einem Whatsapp-Gruppenchat. Die Strafverfahren klären zum ersten Mal in der Schweiz, wann Rassendiskriminierung in Gruppenchats strafbar ist.
Kreutner schüttelt über den Bundesratsentscheid den Kopf, er sagt: «Dort, wo Prävention nichts nützt, muss man staatliche Verbote erwägen.» Hakenkreuze, Hitlergrüsse – all das werde seit zwei Jahren inflationär zur Schau gestellt. «Das muss die Politik stoppen.»
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