Wie ein gefürchteter Krieger sieht Johan Cosar (36) nicht aus: gestreiftes T-Shirt, das Haar ergraut und frisch gestutzt. Der Blick ist entspannt auf die Piazza gerichtet. Bei einem alkoholfreien Apéritif in einer Bar in Locarno TI erzählt der Tessiner von seiner gefährlichen Mission.
BLICK: Sie sind Schweizer und Wachtmeister bei der Schweizer Armee. Was zog Sie in den syrischen Krieg?
Johan Cosar: Ich habe die Schweiz nicht verlassen, um in den Krieg zu ziehen. Gewiss nicht. Wir sind Aramäer, christliche Syrer, und leben in der dritten Generation in der Schweiz. Mein Vater aber hat sich immer in Syrien engagiert, auch politisch. Im Sommer 2012 bin ich ihm dorthin gefolgt. Ich wollte als Journalist aus diesem Land für einige europäische Sender berichten, dann aber wieder heimkehren.
Wie kam es, dass Sie schliesslich an der Front landeten?
Aus einer Notsituation heraus. Es war gegen Winter. Ich befand mich im Nordirak, 250 bis 300 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die islamistischen Gruppierungen Al Nusra und Al Kaida rückten näher. Die Grenzen waren plötzlich dicht, unsere christliche Minderheit wurde bedroht. Ich fürchtete einen Genozid. Rein impulsiv habe ich mich der christlichen Miliz angeschlossen. Später kam dann der IS ins Spiel. Es folgte eine wahre Invasion. Ich habe nur mein Leben gerettet. Drei Jahre habe ich dann gegen die Dschihadisten gekämpft. Zudem wurde 2013 mein Vater vom syrischen Geheimdienst verhaftet. Er ist seitdem spurlos verschwunden.
Wie hat die christliche Miliz auf Sie reagiert?
Sie konnten meine Erfahrungen aus meiner Zeit bei der Schweizer Armee gut gebrauchen. Ich beherrschte die Waffen, den Nahkampf, die Logistik. Ich wusste, wie man Checkpoints aufbaut, wie man Verhaftungen vornimmt, Kampfstrategien entwickelt. Das habe ich alles in den fünf Jahren meines Militärdienstes in der Schweiz gelernt.
Was waren Ihre Hauptaufgaben an der syrischen Front?
Ich habe mitgeholfen, eine Kampftruppe aufzubauen. Zu Beginn waren wir 13, später 500 Soldaten. Ich habe den Sturm angeführt, Minen gelegt. 2015 konnte ich dann dank falscher Papiere über den Irak nach Europa zurückkehren.
Sie sind ein sogenannter Foreign Fighter. Jemand, der in ein anderes Land geht, um zu kämpfen. Bereuen Sie Ihren Kampfeinsatz in Syrien?
Ich habe mich und andere vor extremistischen Terroristen verteidigt. Ich habe Weggefährten links und rechts von mir sterben sehen. Mir flogen die Kugeln um die Ohren. Wir haben Kinder und Frauen im IS-Gebiet aus tiefen, zugeschütteten Erdlöchern befreit. Die Dschihadisten hatten sie lebendig begraben. Nein, ich bereue keinen Tag meines Kampfes.
Für Ihren Einsatz in Syrien müssen Sie sich jetzt vor dem Schweizer Militärgericht verantworten. Es drohen bis zu drei Jahre Haft. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in den Prozess?
Mit viel Zuversicht. Der Prozess findet vom 5. bis 7. Dezember in Bellinzona statt. Ich rechne fest mit einem Freispruch. Man kann mich nicht verurteilen dafür, dass ich den IS bekämpfte. Ich habe doch auch die Schweiz vor dem Terror verteidigt.
Und wenn es doch zu einer Verurteilung käme?
Das macht mir nichts aus. Ich habe an der Front so viel erlebt: das Sterben, das Grauen, Psychostress, oft tagelang kein Wasser, kein Brot. Ich bin stolz darauf, gekämpft zu haben. Auch meine Familie und die aramäische Gemeinde sind es.
Hat Sie der Krieg in Syrien gezeichnet?
Ich hatte nie Furcht und habe heute auch keine Albträume. Ich realisiere jedoch, wie paradiesisch die Schweiz ist. Ich kann hier nicht einfach normal weiterleben, als sei nichts gewesen. Daher bin immer wieder für viele Monate in einem humanitären Hilfswerk im Nordirak tätig, helfe in Flüchtlingscamps. Und ich suche auch noch weiter nach meinem Vater. Wir hoffen so sehr, dass er noch lebt.
Johan Cosar (36) ist in St. Gallen geboren und hat seine Jugend im Tessin verbracht. Als freischaffender Journalist reiste Cosar 2012 nach Syrien. Er wurde durch seine Berichterstattung über den Bürgerkrieg bekannt – und dafür, dass er als Mitglied einer bewaffneten Gruppe bis 2015 für die Christen in Syrien kämpfte. Mit einem Sturmgewehr umzugehen, hat Cosar in seinen fünf Jahren beim Schweizer Militär gelernt. Der Unteroffizier hat sich damals als Instruktor auf den Häuserkampf spezialisiert. Cosar nahm während seiner Zeit in Syrien den Kriegsnamen Omid (dt. Hoffnung) an. Weil Schweizer keinen fremden Militärdienst leisten dürfen, muss sich Cosar nun vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.
Johan Cosar (36) ist in St. Gallen geboren und hat seine Jugend im Tessin verbracht. Als freischaffender Journalist reiste Cosar 2012 nach Syrien. Er wurde durch seine Berichterstattung über den Bürgerkrieg bekannt – und dafür, dass er als Mitglied einer bewaffneten Gruppe bis 2015 für die Christen in Syrien kämpfte. Mit einem Sturmgewehr umzugehen, hat Cosar in seinen fünf Jahren beim Schweizer Militär gelernt. Der Unteroffizier hat sich damals als Instruktor auf den Häuserkampf spezialisiert. Cosar nahm während seiner Zeit in Syrien den Kriegsnamen Omid (dt. Hoffnung) an. Weil Schweizer keinen fremden Militärdienst leisten dürfen, muss sich Cosar nun vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.
Foreign Fighters aus der Schweiz sind nichts Neues. Seit 500 Jahren bieten Schweizer, früher meist gegen Bares, ihre Dienste in ganz Europa und im afrikanischen Raum an.
Sie nennen sich Söldner oder Reisläufer, kämpften für Könige und Kaiser. Ab 1831 auch für die Fremdenlegion. Seit deren Gründung nahmen 40'000 Schweizer an Kolonialkriegen, am amerikanischen Sezessionskrieg und am Spanischen Bürgerkrieg teil. Viele, um Armut oder dem Knast im Heimatland zu entgehen.
Zwischen 1946 und 1962 kämpften rund 2200 Schweizer für die französische Fremdenlegion im Indochina- und Algerienkrieg.
Es sind auch Kämpfer aus der Schweiz in der Ostukraine bekannt. Sie schlossen sich den rechtsextremen Milizen vom Maidan an.
Die einzige heute noch existierende Schweizer Söldnertruppe ist die Schweizergarde. Sie ist seit dem frühen 16. Jahrhundert für die Sicherheit des Papstes zuständig.
Foreign Fighters aus der Schweiz sind nichts Neues. Seit 500 Jahren bieten Schweizer, früher meist gegen Bares, ihre Dienste in ganz Europa und im afrikanischen Raum an.
Sie nennen sich Söldner oder Reisläufer, kämpften für Könige und Kaiser. Ab 1831 auch für die Fremdenlegion. Seit deren Gründung nahmen 40'000 Schweizer an Kolonialkriegen, am amerikanischen Sezessionskrieg und am Spanischen Bürgerkrieg teil. Viele, um Armut oder dem Knast im Heimatland zu entgehen.
Zwischen 1946 und 1962 kämpften rund 2200 Schweizer für die französische Fremdenlegion im Indochina- und Algerienkrieg.
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