Vor einer Woche ging Martin Schmid (54) an ein Volg-Mitarbeitergespräch. «Ich hatte keine Ahnung, worum es ging. Die meisten meiner Zielvereinbarungen waren erfüllt. Es hätte ja auch eine Lohnerhöhung sein können», sagt der Noch-Filialleiter des Volg in Laax GR. Doch es kam anders. Schmid erhielt die Kündigung. «Die Leitung der drei Filialen Sagogn, Valera und Laax werden zusammengelegt. Ich bin der Chef mit dem geringsten Dienstalter, muss also gehen. Ich fühlte mich vor den Kopf gestossen», sagt Martin Schmid.
Für den diplomierten Kaufmann mit höherer Fachprüfung ist es in fünf Jahren bereits die dritte Kündigung wegen Rationalisierungen und Zusammenlegungen. «Jedesmal habe ich mehrere Hundert Bewerbungen geschrieben. Ich mag langsam nicht mehr», sagt er.
Die erste Kündigung flatterte 2013 ins Haus
Die erste Kündigung musste der zweifache Vater 2013 entgegennehmen. Er leitete damals die Elektrofachgeschäfte des Bündner Stromproduzenten Repower und war Chef über sechs Filialen und 20 Mitarbeiter. 1988 trat er diesen Job an. Da hiess das Unternehmen noch Elektrizitätswerke Bündner Oberland AG, kurz: EWBO-OES.
«Der Job bei der EWBO war sicher. Man hatte quasi Beamten-Status», erinnert sich Martin Schmid. Erste Zeichen von Veränderung gab es 2003: «Da kaufte uns die Rätia-Energie. Es wurde gesagt, dass in den kommenden zehn Jahren die Firmenstruktur nicht verändert werden darf.»
2013 der Schock. Der Konzern schloss alle Elektrofachgeschäfte. Schmid und seine Mitarbeiter bekamen die Kündigung. «Ich hatte gerade das 25-Jahre-Firmenjubiläum gefeiert. Das Arbeitsende kam total unerwartet. Ich litt darauf an Depressionen.»
Quasi aus dem Leben gerissen
Martin Schmid war 50 und hatte hohe Fixkosten: «2011 haben wir mit dem Bau eines Hauses in Ilanz begonnen. Ich hatte zuerst beim Vorgesetzten gefragt, ob das Sinn macht, ob der Job auf lange Sicht sicher sei. Man sagte mir, ich solle nur bauen.»
Der entlassene Filialleiter absolvierte einen Kurs im Bewerbungen schreiben und ging auf Jobsuche: «Nach mehreren Hundert Anfragen fand ich endlich eine Stelle; ich war überglücklich.» Er wurde Gemeindekanzlist von Filisur GR. Doch nach einem Jahr fusionierte die Gemeinde mit Bergün GR. Die Verwaltung wurde zusammengelegt. Schon war Schluss für Schmid. Er hätte zwar den Posten des Aktuars übernehmen können. «Das hätte aber mehr Arbeit bei massiv weniger Lohn bedeutet», sagt Schmid.
Viele Bewerbungen später fand er die Stelle als Filialleiter des Volg. Bis im April kann er bleiben. Was dann kommt? Ungewiss. Martin Schmid ist verzweifelt. «Ich weiss nicht mehr weiter. Ich möchte um jeden Preis arbeiten, bin mir für keine Arbeit zu schade. Aber mit 55 Jahren will mich niemand mehr. Immer, wenn die Leute mein Alter erfahren, lehnen sie mich ab.»
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