Jetzt spricht der Swiss-Techniker aus der Eis-Pampa
«Wir mussten aufpassen, dass nichts einfriert»

Swiss-Techniker Eric Rüttimann arbeitete tagelang in Iqaluit am kaputten Triebwerk der gestrandeten Boeing 777-300ER. Dem BLICK erklärt er, wie er das Ganze erlebte.
Publiziert: 15.02.2017 um 14:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:06 Uhr
Seine Mission: Das Triebwerk wechseln und die Boeing 777 zurück nach Zürich bringen.
Foto: SWISS / Eric Rüttimann
Interview: Sven Forster

Eine Boeing 777-300ER musste Anfang Februar wegen eines defekten Triebwerks im kanadischen Iqaluit notlanden. Eine Reparatur war nicht möglich, die Turbine wurde ersetzt. Über eine Woche lang schraubten Dutzende Techniker am Flieger – unter anderen Eric Rüttimann von der Swiss.

BLICK: Herr Rüttimann, wann erfuhren Sie von Ihrem bevorstehenden Einsatz in Iqualuit?
Eric Rüttimann:
Am Tag der Notlandung, das war der 2. Februar, kam um 20 Uhr die erste Anfrage, ob ich bereit wäre, nach Iqaluit zu reisen. Nähere Infos waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Tags darauf sass ich am Mittag bereits im Flugzeug nach Kanada.

Wie bereitet man sich auf so einen Einsatz vor?
Da ich schon zuvor Auslandseinsätze hatte, konnte ich mich auf meine Erfahrung verlassen. Nichtsdestotrotz waren die Wetterbedingungen – es war rund minus 30 Grad kalt – sowie die Komplexität des Einsatzes schon eher ungewöhnlich. Ich nahm mir eine halbe Stunde Zeit und schrieb alles auf, was mir in den Sinn kam, und machte mich anschliessend ans Packen und Organisieren.

Sie mussten die Turbine austauschen, eine Reparatur war nicht möglich.
Bei der Swiss gilt der Grundsatz: Sicherheit an erster Stelle, ohne Kompromisse! Da sich der Defekt am Triebwerk vor Ort nicht beheben liess und weil wir die Ursache des Schadens nicht kannten, wurde entschieden, das Triebwerk auszuwechseln.

Foto: Darren T Brooks

Wie schwierig waren die Bedingungen im frostigen Iqaluit?
Die Kälte war schon sehr aussergewöhnlich. Dazu kam noch ein konstanter Wind, der das Ganze gefühlt noch kälter erscheinen liess. Ohne Wind sind minus 30 Grad noch irgendwie erträglich. Ungeschützt bei diesen Wind- und Wetterverhältnissen war ans Arbeiten im Freien nicht zu denken.

Dafür gab es dann das Wärme-Zelt.
Ja, wir hatten eine sehr gute Ausrüstung. Die dafür vorgesehene Schutzvorrichtung hat sich bewährt. Dort konnte man die Raumtemperatur auf rund 12 Grad aufheizen und so in einer absolut normalen Umgebung arbeiten. Draussen hatte man ohne Handschuhe und Mütze sehr schnell sehr kalt. Auf dem Rollfeld herrschten Temperaturen um die 28 bis 34 Grad unter dem Gefrierpunkt. Wir mussten immer darauf achten, dass nichts einfriert!

Haben Sie schon einmal so etwas erlebt?
Ich bin jetzt seit rund 20 Jahren in der Aviatik tätig, und das war tatsächlich mein erster Einsatz unter solchen Bedingungen. Auch für alle anderen Beteiligten war das eine Premiere. Obschon es sehr anspruchsvoll war, war es zugleich eine unvergessliche und einzigartige Erfahrung, die ich im Nachhinein nicht mehr missen möchte.

Was waren die grössten Herausforderungen? 
Unsere Schweizer Mobiltelefone funktionieren in diesem Teil von Kanada nicht. Die Kommunikation mit der Heimatbasis gestaltete sich schwierig. Wir konnten dann aber auf lokale Handys zurückgreifen und so den regelmässigen Austausch sicherstellen.

Foto: Twitter/Frank Reardon

Wie lange dauerten die Arbeiten?
Am Samstag, zwei Tage nach der Notlandung, haben wir mit dem Triebwerkswechsel begonnen und am Mittwoch darauf waren wir fertig. Ein solcher Austausch ist eigentlich Routinearbeit, aber unter diesen schwierigen Bedingungen etwas Aussergewöhnliches. Wir mussten unsere Arbeit mehrmals unterbrechen, weil es wegen der Wetterverhältnisse nicht mehr vorwärts ging. 

Hatten Sie Unterstützung vor Ort?
Ja, und ich bin jetzt noch begeistert von dieser Hingabe und Professionalität. Wir hatten sensationelle Unterstützung von der Bodenabfertigungsfirma Frobisher Bay Touchdown Services am Flughafen Iqaluit. Der Manager Bernard Frank und sein 15-köpfiges Team taten alles und noch viel mehr, um uns in allen Belangen zu unterstützen. Ebenfalls halfen uns Angestellte der First Air und das Team von General Electric, dem Turbinenhersteller. Die haben alle brillante Arbeit geleistet. Und selbstverständlich wäre es ohne den unermüdlichen Einsatz vieler Kollegen in Zürich in diversen Abteilungen von Swiss nicht gegangen. 

Baut man da eine Beziehung zu Iqaluit auf?
Ich habe leider von Iqaluit nicht allzu viel gesehen. Es führt im Winter keine einzige Strasse aus Iqaluit raus, das Leben findet nur im Städtchen statt. Dafür gibt es einige kleine Shops und ein paar wenige Restaurants und Bars.

Werden Sie nach Iqualuit zurückkehren?
Ich bin fast sicher, dass ich irgendwann wieder nach Iqaluit zurückkehren werde, aber dann nur im Sommer und privat (lacht).

Wie fühlt man sich, wenn die ganze Schweiz über so was liest?
Meine Freundin hat mir am Telefon erzählt, dass die Geschichte in den Medien ist, vom ganzen Umfang erfuhr ich allerdings erst, als ich wieder in der Schweiz war.

Was nehmen Sie mit von diesem speziellen Einsatz?
Teamwork! Es war faszinierend zu beobachten, wie schnell wir vor Ort ein Team wurden und das, obwohl wir uns alle noch nie zuvor gesehen hatten. Wir alle wussten, es geht nur zusammen, völlig egal, ob Swiss, Triebwerkhersteller oder Bodenabfertigungsunternehmen. Nach wenigen Stunden hatten wir uns alle gefunden und zogen am selben Strick, bis unsere Boeing 777 wieder einsetzbar war und nach Hause geflogen werden konnte. Das war eine Teamleistung, wie sie im Bilderbuch steht, und ich bin stolz, Teil eines solchen Unternehmens gewesen zu sein. 

Rund eine Woche später kehrte die 777 zurück.
Foto: Thomas Luethi / HEG

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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