SonntagsBlick: Herr Schuler, Sie waren 40 Jahre lang Primarlehrer. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Konrad Schuler: Die Schüler sind mehr oder weniger gleich geblieben. Deutlich zugenommen hat aber die Elternarbeit. Es gibt heute viele Eltern, die auf Unterricht und Notengebung massiv Einfluss nehmen wollen. Als ich ein Kind war, wäre es meinen Eltern nie in den Sinn gekommen, mit dem Lehrer über meine Zeugnisnoten zu diskutieren. Heute ist das gang und gäbe.
Welche Erfahrungen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Am schlimmsten ist es immer, wenn es darum geht, ob das Kind in die Real, Sek oder ans Gymi kommt. Da passiert es dann auch mal, dass mit dem Anwalt gedroht wird. Es ist schon vorgekommen, dass Eltern den Anwalt ans Elterngespräch mitgenommen haben. Zu Gerichtsverhandlungen kommt es letztlich aber nur selten. Die Eltern wissen, dass die Gerichte in der Regel die Entscheide der Schule stützen. Zum Glück!
Wer sind diese Problemeltern? Was haben sie gemeinsam?
Probleme machen vor allem sehr gut ausgebildete Leute mit dickem Portemonnaie. Im Kanton Schwyz haben wir in erster Linie in den Zürichsee-Gemeinden Wollerau, Freienbach und Feusisberg damit zu kämpfen, dass Eltern die Lehrpersonen unter Druck setzen. Dort leben viele Gutbetuchte, die sich um die Karriere ihrer Kinder sorgen.
Ist es nicht legitim, dass sich Eltern um die Ausbildung ihrer Kinder sorgen?
Doch, natürlich! Grundsätzlich ist es positiv, wenn sie sich dafür interessieren, was in der Schule läuft. Mit vielen ist die Zusammenarbeit auch nach wie vor problemlos. Einige Eltern kennen und respektieren aber die Grenzen nicht. Sie meinen, dass sie das Recht haben, bei allem mitzureden, was in der Schule passiert. Dem ist aber nicht so.
Wo haben die Eltern nichts zu sagen?
Bei der Schulhaus-Einteilung, beim Stundenplan und der Unterrichtsgestaltung. Auch Disziplinarmassnahmen sowie die Benotung liegen alleine in der Verantwortung der Lehrpersonen – solange sie sich im rechtlichen Rahmen bewegen.
Welchen Einfluss haben schwierige Eltern auf den Lehreralltag?
Ihr Verhalten ist vor allem zeitintensiv und braucht Nerven. Die Lehrer müssen jede einzelne Massnahme ausführlich begründen. Die Kommunikation ist heute wichtiger denn je. Zudem muss heute alles genaustens dokumentiert werden. Nur so ist sichergestellt, dass Entscheidungen der Lehrpersonen nicht anfechtbar sind.
Sind die Lehrerinnen und Lehrer auf Konflikte mit den Eltern vorbereitet?
In der Ausbildung lernen die werdenden Lehrer in erster Linie, wie man gut unterrichtet. Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist zwar ebenfalls ein Thema, aber da sollte man noch mehr machen. Vor allem im rechtlichen Bereich wissen viele Lehrer zu wenig Bescheid. Da ist der Leitfaden des Verbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz sicher eine willkommene Hilfe.