Per Facebook lässt sich vieles organisieren: unbewilligte Demos etwa oder illegale Partys. Andere Nutzer hetzen anonym, verbreiten strafbares Gedankengut. Der Attentäter von Christchurch nutzte die Plattform für eine Liveübertragung seines Massakers. Per Facebook liessen sich manche Verbrechen rekonstruieren oder sogar aufklären. Auch für Schweizer Behörden wären die Daten des weltgrössten Netzwerks wertvoll.
Doch der US-Tech-Gigant lässt die Ermittler häufig zappeln, wie Zahlen aus dem Facebook-Transparenzbericht belegen: Im ersten Halbjahr 2018 stellten Bundesbehörden und Staatsanwaltschaften 80 Gesuche nach Daten von Nutzern. Die Ermittlungen betrafen 102 Facebook-Accounts.
Zwei von drei Rechtsgesuchen wurden jedoch abgeschmettert. Nur wenn es wirklich eilt, etwa bei Gefahr im Verzug, rückt der Konzern seine Daten grosszügiger heraus. Dann werden immerhin zwei von drei solcher Notfallanfragen genehmigt.
Facebook ist eine Knacknuss
«Wir prüfen jede einzelne erhaltene Anfrage sorgfältig auf ihre rechtliche Hinlänglichkeit und können Anfragen, die uns übermässig weit gefasst oder zu vage erscheinen, ablehnen oder ihre Konkretisierung fordern», teilt das Unternehmen mit.
Tönt defensiv. In der Praxis aber ist Facebook eine Knacknuss. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause kann davon ein Lied singen. Als in Bern vor Jahren eine Demonstration eskalierte, forderten er und die Staatsanwaltschaft die Daten der anonymen Facebook-Nutzer, die dazu aufgerufen hatten. Hätte Nause seine Anfrage in eine Flaschenpost gesteckt und in die Aare geworfen, der Erfolg wäre gleich gewesen.
Facebook reagierte nicht: «Funkstille. Es war nicht der Ansatz einer Kooperation spürbar», sagt Nause. Von juristischen Schritten gegen den Giganten sah Bern aber ab.
Keine Vertretung in der Schweiz
Denn Facebook hat keine Vertretung in der Schweiz, sein europäischer Hauptsitz ist Irland. Ersuchen um internationale Rechtshilfen wären nötig gewesen, die aber machen Ermittlungsverfahren aufwendig und teuer.
«Ich bin darum dafür, dass auf Schweizer Boden greifbare Ansprechpartner da sind. Das ist das Mindeste», sagt Reto Nause. Der Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli möchte Facebook und Co. aus demselben Grund per Gesetz zwingen, ein obligatorisches Zustellungsdomizil in der Schweiz zu eröffnen. Der Bundesrat arbeitet derzeit einen Gesetzesvorschlag dazu aus.
«Das Ziel ist, dass es für Behörden und Private schneller geht, Kontakt herzustellen», sagt Martin Steiger, Anwalt und Mitverfasser der Motion. «Die ausländischen Plattformen versuchen derzeit einfach vieles auszusitzen.»
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