Im Kampf gegen das Coronavirus ziehen manche Kantone die Schraube wieder an. Seit Freitag sind in Luzerner Gastrobetrieben nur noch 100 Besucher erlaubt, im Jura und in der Waadt müssen Kunden seit Anfang Monat beim Einkaufen eine Maske tragen. Letzte Woche beschlossen auch etliche Schulen, zum Beginn des neuen Schuljahrs eine Maskenpflicht einzuführen.
Im Hintergrund laufen bereits weitergehende Vorbereitungen. Während die Kantone nach dem Ende der ausserordentlichen Lage teilweise zögerlich reagierten, entwickeln sie nun Szenarien, um für eine mögliche zweite Welle gewappnet zu sein.
SonntagsBlick hat unter Berufung auf das Öffentlichkeitsprinzip die Protokolle der kantonalen Krisenstäbe eingefordert und analysiert. Während einige Kantone die Herausgabe der Dokumente verweigern, zeichnen die erhaltenen Informationen aus Basel-Land, Zug und Graubünden ein eindeutiges Bild.
Deutliche Worte finden vor allem die Experten im Baselbiet. In einer internen Lagebeurteilung Ende Juni heisst es unter anderem: «Die Bevölkerung verliert das Gefühl der Bedrohung durch das Virus. Eine schwierige Fehleinschätzung. »
Epidemiologen mahnen bereits seit Wochen, dass mit den sinkenden Neuinfektionen in der Bevölkerung auch die notwendige Vorsicht verloren gehe. Was wiederum zu einem Anstieg der Fallzahlen geführt habe, der gemäss dem Papier kurzfristig weiter zunehmen dürfte.
Im Herbst dürften die Zahlen wieder ansteigen
Basel-Land blickt bereits in den Herbst: «Ab September rechnen wir mit einer signifikanten Steigerung aller relevanten Fallzahlen.» Der Grund dafür seien «die Lockerungsmassnahmen und das schlechte Einhalten der Schutzmassnahmen».
Heikel wird es trotz aller Bemühungen bei der Nachverfolgung des Infektionsgeschehens, dem sogenannten Contact Tracing. Bei einem grösseren Risikofall, «bei dem auf einen Schlag sofort mehrere hundert Personen in Quarantäne geschickt werden müssen», kämen die Tracing-Kapazitäten im Kanton «sofort und massiv ans Limit».
Ein Plan, mit dem schnell zusätzliche Contact Tracer mobilisiert werden können, ist in der Nordwestschweiz in Arbeit. Auch die Vorbereitung des Schulbetriebs auf eine zweite Welle und die Belegung «überdurchschnittlich vieler Reha-Plätze» seien Szenarien, die es zu berücksichtigen gelte.
Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum ist denkbar
Graubünden hat bereits verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten der Pandemie im Kanton durchgespielt. Weil das Dokument von der Regierung noch nicht verabschiedet wurde, dürfen die zuständigen Stellen es nicht zur Einsichtnahme herausgeben.
Chur gibt aber Auskunft über deren generellen Inhalt: Man habe diverse Szenarien berücksichtigt und Beschlüsse vorbereitet, die zeitnah verabschiedet werden können, falls sich dies als notwendig erweist.
Denkbar sei unter anderem die «Anweisung zur Maskentragung über den ÖV hinaus» – also auch in Läden oder im gesamten öffentlichen Raum. Konkreter wird der Kanton nicht: «Die allfälligen Massnahmen werden situationsbezogen und in Beachtung der Verhältnismässigkeit umgesetzt.»
Anders präsentiert sich die Situation in Zug. Der Kanton hat ein Alarmkonzept ausgearbeitet, das je nach Anzahl der Neuinfektionen eine andere Ampelfarbe vergibt. Sollten die Fallzahlen innert einer Woche um 20 Prozent steigen oder der Schwellenwert von 50 Fällen pro 100 000 Einwohner überschritten werden, würde die Farbe auf «Orange» wechseln. Dann sind Massnahmen wie zusätzliche Auflagen oder gar Schliessungen von Betrieben möglich.
Flächendeckende Massnahmen wie eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum sind ab Alarmstufe «Rot» möglich, der Kanton Zug setzt den Schwellenwert hierfür bei 75 Fällen pro 100 000 Einwohnern fest – weist aber darauf hin, dass diese Zahlen nur «als Orientierungshilfe» zu verstehen seien. Es gelte immer auch, die «konkrete Situation» zu berücksichtigen. Das bedeutet: Sollten die Fallzahlen bereits vor Erreichen des Schwellenwerts prozentual stark ansteigen, ist eine Erhöhung auf die nächste Alarmstufe auch bei niedrigeren Zahlen möglich.
Der Kanton prüft in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines Monitorings. Mitarbeiter grosser Arbeitgeber und der Kantonsverwaltung, die sich krank meldeten, würden dann speziell erfasst. Sollten die Neuinfektionen zunehmen, könnte der Kanton bereits frühzeitig reagieren.
«Überlastung des Gesundheitssystems und speziell der Beatmungsmöglichkeiten»
Für den Fall, dass die Zahlen wieder stark ansteigen, rechnet Zug im Extremfall allerdings «mit einer Überlastung des Gesundheitssystems und speziell der Beatmungsmöglichkeiten in den Intensivpflegestationen.»
«Realistischerweise», so heisst es in der Lagebeurteilung weiter, «können aber weder ein leistungsfähiges Contact Tracing noch ein aufwuchsfähiges Gesundheitssystem alleine einen Anstieg der Erkrankungen verhindern.» Solange kein Impfstoff oder ein Medikament gegen Covid-19 gefunden werde, sei man auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Eine sinkende Bereitschaft zur Befolgung der Distanz- und Hygieneregeln sei aber festzustellen.
Einige Kantone verweigerten trotz eines formellen Gesuchs eine Herausgabe der Dokumente. Darunter St. Gallen und Zürich, wo in den vergangenen Wochen diverse Infektionsfälle bekannt geworden waren.
Die dortigen Behörden berufen sich darauf, dass die Dokumente für Regierungsentscheidungen gebraucht würden und daher vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen seien – Transparenz sieht anders aus.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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