Es ist der 26. Juni 2000, kurz vor Mittag, in Hamburg Wilhelmsburg (D). Primarschüler Volkan Kaya (6) spielt mit seinen Freunden Fussball auf dem Pausenplatz. Plötzlich fallen ihn zwei Kampfhunde an. Staffordshire-Hündin «Gipsy» und Pitbull «Zeus» verbeissen sich im Blutrausch so sehr in den Jungen, dass erst die Polizei sie stoppen kann – mit Maschinenpistolen. Da ist Volkan längst verblutet.
Schnell stellt sich heraus: Die Hunde waren schon mehrfach in Beissereien verwickelt gewesen. Besitzer Ibrahim Külünc (26), vorbestraft wegen Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes, hatte alle Vorladungen der Behörden ignoriert und sich geweigert, den Tieren Maulkorb und Leine zu verpassen.
Der Fall Volkan erregt die deutsche Öffentlichkeit. Er wird für viele zum Symbol: Politiker aller Parteien fordern schärfere Bestimmungen gegen Kampfhunde.
Nur 48 Stunden nach der Tat erlässt Hamburg eine neue Hundeverordnung. Die härteste von Deutschland. Der damalige Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) sagt: «Wir wollen Kampfhunde aus der Stadt weg haben.»
14 Hunderassen dürfen nur noch mit Maulkorb und Leine auf die Strasse. Und Pitbulls, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier dürfen nur noch unter strengen Auflagen gehalten werden: Die Besitzer müssen ein «berechtigtes Interesse an der Haltung» nachweisen, die Ausbildung in einer Hundeschule vorzeigen – und sie müssen ihr Tier sterilisieren lassen.
Im April 2001 – zehn Monate nach dem Tod von Volkan – verbietet die Bundesregierung die Einfuhr der vier Hunderassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier nach Deutschland. Strafe bei Zuwiderhandlung: bis zu zwei Jahre Gefängnis. Kontrolleure dürfen Grundstücke und Wohnungen betreten.
Auch jedes Bundesland verschärft einzeln das Gesetz: Leinenzwang, Maulkorbzwang, strenge Zucht- und Halteverbote werden eingeführt, den Hunden ein Mikrochip eingepflanzt, die Bussen auf bis zu 75 000 Franken erhöht. Tausende von gefährlichen Hunden werden eingeschläfert. Die Hundelobby zieht vor Gericht – und scheitert meist.
Seither ist die Zahl der Bisse durch Kampfhunde überall zurückgegangen. Und man sieht viel weniger Kampfhunde auf Deutschlands Strassen.