Viktoria Günther (30) sitzt zusammen mit Sohn Cedric (7) vor einem kleinen Beet am Ufer des Walensees. Die junge Frau hat hier ein kleines Bäumchen gepflanzt, ein Windspiel steckt in der Erde, Blumen und Kerzen schmücken den Boden. Davor steht ein Holzkreuz. Es erinnert an ihren Lebenspartner Matze Koitz († 33) und ihren gemeinsamen Sohn Darius († 8).
Am 5. Juli verloren Viktoria und Cedric hier ihre Liebsten. Sie werden diesen einen Sonntag im Sommer nie vergessen können. Es war heiss, der Himmel blau. Deshalb machte die Familie einen Ausflug zum Walensee. «Wir hatten am Vortag extra Fleisch eingelegt und wollten uns einen schönen Badetag machen», sagt Viktoria Günther.
Schon nach wenigen Minuten kommt es zur Tragödie: «Darius, Cedric und Matze waren im Wasser, als Matze plötzlich anfing zu schreien.» Eine Sandbank ist eingebrochen, Darius gerät in den Strudel. Der Vater will seinen Sohn retten. Die beiden haben keine Chance: Eine Wasserwalze zieht sie in die Tiefe. Stunden später werden sie geborgen – tot.
«Die Schreie verfolgen mich bis heute», sagt Viktoria Günther. Nach dem tragischen Tod ihrer Liebsten fällt die junge Frau in ein tiefes Loch. «Seit wir vor fünf Jahren aus Deutschland in die Schweiz gekommen sind, hat immer nur Matze gearbeitet. Ich habe mich um die Kinder gekümmert», sagt sie. «Das hat immer funktioniert.»
Plötzlich steht sie allein da. Ohne Geld, aber mit einem Haufen Kosten und einem kleinen Sohn, der gerade Bruder und Vater verloren hat. Weil sie mit Matze Koitz nicht verheiratet war, bekommt Viktoria keine Witwenrente. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat sie auch nicht. Und da auch noch das Haus verkauft wurde, in dem sie lebt, musste die gelernte Köchin Ende September ihre Wohnung in Walenstadtberg SG verlassen.
Ein Freund gewährt ihr, zwei grossen Hunden und einer Katze seither Unterschlupf – im Keller seines Wohnhauses. Das Problem: Dieser Teil des Hauses gehört ihm nicht. Die Eigentümerin will nun, dass Günther so schnell wie möglich auszieht. Bloss weiss diese nicht wohin: «Ständig kommen neue Betreibungen, die ich nicht bezahlen kann. So nimmt mich doch kein Vermieter.»
Sohn Cedric besucht unter der Woche eine Sonderschule, er sieht seine Mama nur am Wochenende. «Das würde ich natürlich auch gerne ändern. Er ist meine Familie und fehlt mir sehr.» Viktoria Günther ist verzweifelt: «Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll. Ich hätte nie gedacht, dass man von einem Moment auf den anderen so hilflos werden kann.»
Natürlich hat sie auch über eine mögliche Rückkehr nach Deutschland nachgedacht. «Aber mit den ganzen Schulden komme ich weder vor noch zurück.»