IKRK geht das Geld aus
«Wir können nicht mehr allen helfen»

Bern – Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) fehlt es an Geld. Zwar hatte die Organisation im vergangenen Jahr mehr Beiträge der Staaten zur Verfügung als je zuvor. Dennoch bahnt sich laut IKRK-Präsident Peter Maurer das «höchste Defizit unserer Geschichte» an.
Publiziert: 13.09.2015 um 06:52 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:39 Uhr
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Eine Frau bricht mitten im Tumult am Hafen von Mytilini auf Lesbos zusammen. Im Hintergrund halten Polizisten die verzweifelte Menge mit Schlagstöcken in Schach.
Foto: Reuters

«Das Ausmass der globalen Konflikte ist historisch, ein Patentrezept gibt es momentan nicht», sagte Maurer in einem Interview mit der «Sonntagszeitung». Die seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr da gewesene Welle von Vertreibung übersteige die Mittel des IKRK. «Wir können nicht mehr allen helfen.»

Für 2015 hatte die Organisation Mittel in der Höhe von 1,6 Milliarden Franken budgetiert. Der Voranschlag lag zum dritten Mal in Folge höher, und doch reichten die Mittel nicht für die immer grösser werdenden Bedürfnisse. 2014 gab das IKRK laut Jahresbericht 1,2 Milliarden Franken aus, im Jahr zuvor waren es 1,1 Milliarden gewesen.

Maurer schaltet sich auch in die Debatte um die europäische Flüchtlingspolitik ein und kritisiert dabei die Schweiz:  «Wir müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen, es gibt keine Alternative.» Er fordert eine globale Koalition, die das Leid der Menschen und nicht das politische Geplänkel ins Zentrum stellt. Der Flüchtlingsbegriff müsse in Zukunft grosszügiger interpretiert werden, sagt Maurer.

Der Chef des Roten Kreuzes rügt vor allem die miserablen humanitären Bedingungen in Ungarn. «Was wir rund um den Bahnhof in Budapest gesehen haben, dürfte nicht passieren», sagt Maurer. Ungarn sei nicht Libyen, die Kapazitäten für eine angemessene Betreuung der Flüchtlinge wären vorhanden. «Wenn der politische Wille für elementare humanitäre Hilfe fehlt, ist das nicht akzeptabel.»

Im Hinblick auf eine ungarische Asylgesetzverschärfung in der nächsten Woche sagt Maurer: «Das Land driftet in eine gefährliche Richtung.» Gestern noch hatte Ministerpräsident Viktor Orban seine repressive Haltung in der deutschen «Bild»-Zeitung verteidigt.

Die Schweiz sieht trotz der prekären Lage der Flüchtlinge in Ungarn keinen Handlungsbedarf. Der Bund schiebt weiterhin Asylbewerber dorthin ab, die letzten im August, als das Flüchtlingsdrama bereits akut war. Er beruft sich auf die Dublin-Vereinbarung, wonach Flüchtlinge in dem EU-Staat Asyl beantragen müssen, den sie als ersten betreten haben. Seit Anfang Jahr hat das Staatssekretariat für Migration 65 Migranten nach Ungarn zurückgeschafft, darunter auch Menschen aus Syrien. «Dublin ist geltendes Recht. Wir wenden das wie bisher an», sagt Sprecher Martin Reichlin. (rsn/SDA)

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