«Ich kann mir gut vorstellen, dass Roboter eine Funktion in der humanitären Hilfe und im humanitären Schutz haben werden», sagte der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Roboter sollen keine Menschen ersetzen, sagte Maurer. Er hält es aber für nötig, die Genfer Konventionen an die Kriege der Zukunft anzupassen, die halb-konventionell und halb-digital geführt würden.
Seinen Worten zufolge wird die humanitäre Hilfe wie andere Bereiche auch vom technologischen Wandel erfasst. In einem globalen humanitären Labor arbeitet das IKRK mit anderen Partnern an neuen Instrumenten. Maurer ernannte dazu auch einen Direktor für Innovation, der Anfang November sein Amt antrat.
Namentlich würden bereits billige Stethoskope aus dem 3D-Drucker in Kenia «ausgiebig» getestet. Aber im Moment bleibt es bei «fortgeschrittenen Prototypen» und die Massenproduktion steht nicht bevor.
In Zukunft hält es Maurer für möglich, dass das IKRK beispielsweise die Ersatzteile für seine Tausenden von Fahrzeugen mit diesem Verfahren selber herstellt. Im Bereich von Prothesen hatte die Organisation nicht erst auf die 3D-Technik gewartet, um Ersatzgliedmassen mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) besser ans instabile Gelände anzupassen, in dem sich die Patienten fortbewegen. «Innovation bedeutet nicht unbedingt Spitzentechnologie», betonte der Präsident.
Die Möglichkeit für den Einsatz etwa von Drohnen ist jedoch durch Bundesbern ausgeschlossen. Diese würden auch nicht die Notwendigkeit für einen «Konsens» mit den Konfliktparteien ersetzen, der für den Zugang zu Kriegsgebieten nötig sei. Das IKRK ist zu 80 Prozent in Konfliktgebieten tätig.
Neue Technologien würden sowohl die Kriegsführung wie auch die Instrumente zum Schutz der Opfer verändern. «Die Genfer Konventionen werden angesichts der neuen Realität nicht mehr ausreichen», sagte Maurer. Die Organisation hat noch nicht entschieden, ob sie ihre Auslegung der Verträge oder deren Inhalte anpassen will.
Ein Jahrhundert nach Erhalt des Nobelpreises wären die Menschen, die die Geschichte des IKRK «getragen haben», «sicherlich enttäuscht, wenn sie die Anzahl der heutigen Konflikte sähen», sagte Maurer. Man sei damals davon ausgegangen, dass die Organisation ein «temporäres» Problem löse.
Auf der anderen Seite würden diese Leute wohl «ziemlich zufrieden» sein über die Ausprägung des Komitees, seine Anpassung und seine Bemühungen, sagte Maurer. «Wir sind 17'000 Personen in den schlimmsten Gegenden der Welt. Und wir haben zahlreiche Möglichkeiten zu handeln.» Zudem könnte die Zahl der getöteten Mitarbeiter weit höher sein in einem solchen Kontext.
Was die Finanzen angeht, stosse das traditionelle Modell des IKRK angesichts der stark wachsenden Bedürfnisse an seine Grenzen. «Alle Faktoren» deuteten darauf hin, dass die Unterprivilegierten in einer Welt, die stark «fragmentiert» sei, zahlreicher würden.
Das IKRK testet seit September neue Mittel der Finanzierung. So müssen für drei Rehabilitationszentren in drei afrikanischen Ländern Anleihen während fünf Jahren 26 Millionen Franken einbringen.
Diesen Mechanismus sollte es in Zukunft häufiger geben sowie eine Direkthilfe an die Bevölkerung. Und man müsse sich auch fragen, ob auch ein Versicherungssystem auf Kriegssituationen angewendet werden könne, um «die Risiken zu teilen», sagte Maurer.
Maurer bekräftigte, dass er ein Verfechter von Partnerschaften mit der Privatwirtschaft sei. «Die Wirtschaft ist nicht der Feind der Humanität.» Auch wenn «wir nicht immer die gleichen Motive haben», sagte er.
Während das IKRK vor einem Jahrhundert zu 100 Prozent die humanitäre Hilfe verkörperte, sei es heute nur noch einer von vielen Akteuren im gegenwärtigen «Ökosystem». Maurer ist jedoch nicht der Meinung, dass der private Sektor oder die Zivilgesellschaft in die Entscheidungen der Rot-Kreuz-Bewegung einbezogen werden sollte.