Homosexuelle kritisieren Schneider-Ammann nach Orlando-Massaker
«Wir vermissen ein deutliches Zeichen der Solidarität!»

Vor einer Woche starben in Orlando 49 Menschen im Kugelhagel. Motiv des Attentäters: Hass auf Homosexuelle. Die Gay-Community in der Schweiz kritisiert, dass der Bundespräsident die Sexualität der Opfer mit keinem Wort erwähnte.
Publiziert: 19.06.2016 um 00:29 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:20 Uhr
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Der Eiffelturm wird im Gedenken an das Blutbad in den Regenbogenfarben beleuchtet.
Foto: @news6wkmg

Omar Mateen (†29) wählte sich seine Opfer bewusst aus. 49 Menschen starben vor einer Woche in Orlando, die meisten von ihnen waren homosexuell. Das Massaker wühlt die Welt auf.

Bern blieb grau

Staatspräsidenten aus aller Welt riefen zur Solidarität mit Schwulen und Lesben auf. Sehenswürdigkeiten auf dem ganzen Globus - beispielsweise der Eiffelturm in Paris - erstrahlten in den Regenbogenfarben. Nur Bern blieb grau.

Bundespräsident Schneider-Ammann schickte am Tag nach dem Attentat lediglich drei kurze Sätze an die Nachrichtenagentur SDA. Im Namen der Regierung verurteilte er den Anschlag und liess verlauten: «Das amerikanische Volk kann sich der Solidarität der Schweiz gewiss sein.»

Es sei bedenklich, dass Schneider-Ammann «mit keinem Wort die sexuelle Orientierung der Opfer erwähnte.»
Foto: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Homosexuelle in der Schweiz fühlen sich vom Bundesrat vor den Kopf gestossen, wie die «SonntagsZeitung» heute schreibt. «Es ist bedenklich, dass der Bundespräsident mit keinem Wort die sexuelle Orientierung der Opfer erwähnte», sagt Bastian Baumann von Pink Cross, dem Dachverband der schwulen Männer in der Schweiz. Orlando sei ein «Hassverbrechen gegen die LGBT-Szene», also gegen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle. «Wir vermissen ein deutliches Zeichen der Solidarität mit den Opfergruppen», so Baumann.

Auch der schwule FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ist irritiert über die Zurückhaltung des Bundes. «Ich erwarte, dass Anschläge auf jegliche Minderheiten auch so benannt werden», sagte er gegenüber der «SonntagsZeitung». Er hätte es geschätzt, wenn sich der Bundespräsident solidarisch mit der Schwulen-Community gezeigt hätte.

«Jedes ausgelöschte Leben ist tragisch»

Noé Blancpain, Sprecher von Johann Schneider-Ammann, weist die Vorwürfe zurück: Der Bundespräsident stehe für eine «liberale und tolerante Gesellschaft ein, in der die Menschen der LGTB-Community geachtet und nicht diskriminiert werden».

Doch warum hat Scheider-Ammann das in seinem offiziellen Statement nicht erwähnt? «Jedes ausgelöschte Menschenleben ist tragisch – völlig unabhängig von der sexuellen Ausrichtung, der Herkunft oder dem Glauben», sagt Blancpain.

«Homophobes Blutbad»

Ausländische Staatschefs wählten nach dem Attentat klarere Worte. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich «besorgt über den Hass gegen Schwule und Lesben». US-Präsident Barack Obama rief zum Kampf gegen LGBT-Diskriminierung und Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte die Tat als «homophobes Blutbad». (gru)

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